Alle Halbjahre wieder …

… das gleiche Thema: Uhrverdrehung auf ein Neues.

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/zeitumstellung-europa-107.html

Heute textet die Tagesschau – auch einmal wieder mittelmäßig qualifiziert. So steht da zum Beispiel, dass die nördlichen Länder die Winterzeit brauchen, damit es im Winter früher hell wird. Das ist doppelter Stuss. Denn es gibt keine Winterzeit und es wird auch nicht früher hell. Die Normalzeit, die im Winter gilt, heißt Normalzeit und es wird dann genauso früh oder spät hell, wie wenn die Uhr nicht verdreht wird. Der Unterschied ist: bei der nicht verdrehten Uhr stehen die Menschen in der Regel später auf. Leider höre ich den Quatsch sogar von halbwegs intelligenten Menschen, die behaupten, dass es bei nicht verdrehter Uhr abends früher dunkel wird. Es ist sehr sehr mühsam gegen Aberglaube vorzugehen.

Ich habe den Test mal aufs Exempel gemacht. Ich habe der Frau Bettina Martin von der SPD in Mecklenburg-Vorpommern geschrieben, daselbst gewesene und möglicherweise künftige Ministerin für Bildung und sowas. Mit einem Hinweis auf einen interessanten Artikel zu dem Thema:

So hat der frühe Wecker dir geschadet

Frau Urner ist als Hirnforscherein ausgewiesene Expertin auf dem Thema und es sind noch weitere Experten am Start in diesem Artikel.

Was macht Frau Martin? Sie lässt ihren Herrn Schulrat antworten und diese Antwort lässt tief in die Hirninaktivität von Politik und Verwaltung blicken:

Sehr geehrter Herr Bund,
vielen Dank für Ihre EMail. Frau Ministerin Martin hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.


Wie ich Ihrer EMail entnehmen kann, möchten Sie Frau Ministerin Martin von den Vorteilen für die Bildung, welche aufgrund der Abschaffung der Sommerzeit entstehen würden, überzeugen.


Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur MecklenburgVorpommern ist zwar für
den Bereich der Bildung auf der Grundlage der Artikel 30, 70 und 104 a Absatz 1 Grundgesetz
zuständig, jedoch die Sommerzeit und dessen Bestimmungen gehören nicht hierzu. Ich bitte
Sie daher, sich an das für die Feststellung der mitteleuropäischen Sommerzeit in Deutschland
zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zu wenden und dort Ihr Anliegen
vorzustellen.


Mit freundlichen Grüßen
Gez. Dietrich Schwarz

Landesschulrat

Dem Herrn Landesschulrat mangelt es offenbar massiv an Textverständnis – vielleicht qualifiziert ihn dieses Defizit für seinen Job – wir wissen es nicht.

Wörtlich habe ich an Frau Martin unter anderem geschrieben:

In diesem Zusammenhang bitte ich Sie sich für eine schnelle Abschaffung
der Uhrverdrehung einzusetzen

Dies heißt nicht, dass ich sie überzeugen möchte, dies heißt, sie möge sich bitte dafür einsetzen, dass der Quatsch aufhört, was ja doch ein gewisser Unterschied ist und den Rest der Antwort komplett unsinnig macht. Denn natürlich ist mir klar, dass Frau Martin nicht bei der PTB in Braunschweig arbeitet und die Uhr umprogrammieren kann. Mir ist auch klar, dass Frau Martin nicht bei der EU arbeitet und auch nicht in der Bundesregierung im Ausschuss für die Uhrverdrehung sitzt. Meine einzige, und wie ich finde legitime Bitte ist, dass sie sich im Rahmen des ihr von den Bürgern und der Ministerin übertragenen Verantwortungsbereiches für uns einsetzt. Zu viel verlangt?

Ich habe mir dennoch die Mühe gemacht, dem Wirtschaftsministerium den Text weiter zu leiten.

Auch diese Antwort zeugt von einem aktiven Desinteresse. Ich schätze in diesem Falle handelt es sich um eine Textvorlage.

Sehr geehrter Herr Bund,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Für die EU-Mitgliedstaaten ist die Zeitumstellung durch europäische Regelungen nach wie vor vorgegeben. Die EU-Kommission hatte im September 2018 einen Vorschlag zur Abschaffung der jahreszeitlichen Zeitumstellung vorgelegt, der auf einen entsprechenden Wunsch der europäischen Bürgerinnen und Bürger aus einer öffentlichen Befragung zurückgeht. Dieser Vorschlag wird derzeit auf EU-Ebene diskutiert. Aus Sicht der Bundesregierung ist es wichtig, Zeitinseln zu verhindern und einen harmonisierten Binnenmarkt zu gewährleisten. Die Bundesregierung erachtet zudem eine europaweite Folgenabschätzung als eine wichtige Voraussetzung für ein angemessenes und harmonisiertes Vorgehen. Auch viele andere Mitgliedstaaten haben diese bei der Europäischen Kommission eingefordert. Die EU-Kommission hat bislang eine solche Folgenabschätzung noch nicht vorgelegt. Zur Zeitplanung der Europäischen Kommission können wir keine Auskunft geben. Hierzu müssten Sie sich an die EU-Kommission wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Team Bürgerdialog

Und was sagt der Sprecher der EU Herr Keersmaecker? „Jetzt liegt der Ball bei den Mitgliedsstaaten…“. Es ist also hier der ganz übliche Politik-Verwaltungs-Wahn am Werk. Keiner ist zuständig und alle verstecken sich hinter irgendwelchen Pseudoargumenten.

Deswegen hier nochmal ein öffentlicher Aufruf:

Liebe Frau Martin, lieber Herr Schulrat Schwarz!

Tun Sie einfach das wofür Sie gewählt wurden bzw. wofür Sie von Steuergeldern bezahlt werden! Setzen Sie sich für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger ein. Beziehen Sie klar Stellung und vertreten Sie Ihre Anliegen in Berlin, in Brüssel, in den entsprechenden Gremien und wo auch immer. Es ist doch offenbarer Unfug, dass das Wirtschaftsministerium eine solch weitreichende Entscheidung treffen soll, denn die verdrehte Uhr geht ja alle Menschen etwas an und nicht nur diejenigen, die mit der wirtschaftlichen Entwicklung etwas zu tun haben. Mit Ihrem Engagement leisten Sie einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität in Mecklenburg-Vorpommern.

Ich habe zwei Buchtipps:

Philipp Möllers „Isch geh Schulhof“ ist zwar auch schon mehr als zehn Jahre alt, aber flüssig zu lesen und brandaktuell.

Michael Schmidt-Salomons „Entspannt euch! – Eine Philosphie der Gelassenheit“ ist etwas weniger flüssig zu lesen, etwas aktueller, aber deswegen nicht weniger lesenswert.

Bei uns gab es neulich Pizza. Das ist ja erstmal noch nichts besonderes, denn die kann man sich entweder bestellen oder aus tiefgefrorenen Packungen aufbacken. Es gibt aber noch mehr Varianten. Die selbst gemachte zum Beispiel. Die war bei uns früher immer viereckig, weil auch das Blech viereckig ist. Aber sie muss ja nicht viereckig sein. Samson hatte den Wunsch, dass die Pizza mal nicht viereckig sondern rund ist. Ein Forschungsvorhaben. Schmeckt runde Pizza anders als viereckige? Wir probieren es aus. Achtung! Lehrer! Pädagogen! Aufgepasst! Das Kind hat eine Idee und eine Frage. Jetzt kann ich natürlich einfach runde Pizza kaufen oder machen und dem Kind vorsetzen. Aber warum soll ich den Forschungsimpuls des Kindes nicht aufnehmen und gemeinsam – ich wiederhole es gerne: gemeinsam – mit dem Kind forschen? Also wird überlegt, welche Geschmacksrichtungen denn getestet werden, Zutaten vorbereitet, Teig vorbereitet. Teig ausgerollt, was gar nicht so einfach ist, denn die Pizza soll ja rund werden.

Auch erfordert runde Pizza eine andere Backlogistik – dies wird alles ganz praktisch und mit Begeisterung erfahren. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und es lässt sich aus essen.

 

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Und das Forschungsergebnis? Leider nicht ganz eindeutig. Ja, runde Pizza schmeckt anders als viereckige – sagt das Kind. Es soll wieder einmal runde selbstgemachte Pizza geben. Die Forschung geht weiter.

Der Erwachsene fragt sich: es ist so einfach Kinder für etwas zu begeistern. Kinder wollen ständig etwas erfahren und entdecken – das ist der Impuls zum Lernen. Warum geht das in der Schule nicht Frau Martin?

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