Archiv für den Monat: Dezember 2024

Noch ein Rückblick

2024 – das Jahr der Wende. Es wird für uns immer das Jahr 2024 bleiben, das Jahr, in dem von vielen guten Ideen Abschied genommen werden musste und neue Ideen geschöpft werden mussten. Ich sag’s euch ehrlich: ich bin so froh und dankbar, dass es vorbei ist. Ich bin gestartet mit Mut und Zuversicht. Ab Januar folgte dann eine Herausforderung der anderen. Mitte Mai trennten sich die Wege dann endgültig. Ich musste mich dann erst einmal zurecht finden auf dem neuen Bug. Segler wissen, was das bedeutet. Nach dem Manöver die Leinen klarieren, alles neu trimmen, den Kurs neu ausrichten. Da ein Mannschaftsmitglied von Bord gegangen war, wurden die Aufgaben neu aufgeteilt. Ich war nun Kapitän und Steuermann und Vorschiffscrew und Navigator. Das hat einiges vereinfacht. Die Jungmatrosen haben die Wende auch gut überstanden. Wir haben uns als neue Crew gut eingespielt. Erstaunlich gut. Ein Dank geht raus an die Crew! Nun, am Ende des Jahres blicke ich „mit einer gewissen Zufriedenheit und Dankbarkeit auf 366 spannende … herausfordernde Tage … zurück“ – so wie ich es auf der Neujahrskarte für 2024 geschrieben habe.

Auch Maren Urner spielte eine Rolle. Ihre radikal emotionale Ansicht der Welt hat mich fasziniert und begeistert. Gestern teilte Dejan Mihajlović dieses Bild …

Hört gerne diesen Podcast. Dejan schreibt dazu: „Fazit: Sehr gut investierte 55 min., die klüger machen und empowern.“. Ich ergänze noch: hört den Podcast bis zum Ende.

Kommt gut ins neue Jahr!

Drei Beiträge an einem Tag … Rekord

Nach zwei Tagen Pause schaue ich wieder Schulungsvideos. Und bereite mich auf den Januar vor. Der Januar ist dem Kapitel F5 der ICD-10 gewidmet. Im Kapitel F5 sind die Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Symptomen zu finden. Und da sind wir schon wieder mitten im Leben. Ein großer Bereich sind hier die Essstörungen. Und man ahnt es wieder nicht, was es da alles zu lernen gibt. Schonmal ganz kompakt gab es eine kompakte Zusammenfassung der menschlichen Entwicklung. Entnommen aus Karin Werner, Die Zukunft kann wieder weiblich werden. Eine Recherche bringt zutage, dass Karin Werner Diplom-Pädagogin und Systemische Paar- und Familientherapeutin in Lübeck ist. Karin Werner ist zehn Jahre älter als ich und immer noch am Start. Das sind doch mal gute Aussichten.

Also Essstörungen. – Voll spannend, auch vor dem geschichtlichen Hintergrund.

Ich muss jetzt mal weiter laufen lassen …

Rauhnächteideen

Die Rauhnächte, so sagt man, sollen besonders wertvoll sein für … man weiß es nicht so genau. Ich zumindest weiß es nicht so genau. Ich habe auch mal an so einen Spökes geglaubt. Nachdem es dann mehrere Jahre überhaupt sowas von gar nichts gebracht hat, habe ich meinen Glauben revidiert. Aber vielleicht ist ja doch was dran.

@afelia.bsky.social, besser bekannt als Marina Weisband ist auch ein paar Tage allein und sinniert darüber auf Bluesky. Mir wird es in Mastodon angezeigt.

Marina ist so wie ich ganz überrascht von der ungewohnten Freiheit. Sie schreibt unter anderem „… Heute werden (meist Mütter) völlig isoliert. … Es ist ein systemisches Problem einer Gesellschaft, die darauf ausgerichtet ist, vor allem ihre Frauen doppelt auszubeuten.“

Ich antworte auf Mastodon, dass es zu kurz greift, wenn man das Phänomen als ein Geschlechterphänomen betrachtet, dass es ein Rollenproblem ist und bekomme dafür Likes.

Dieses Thema spornt wieder meine Synapsen an und ich frage mich, was es denn wirklich auf sich hat mit der Faszination der 1-Personen-Haushalte, die ich grade selbst erleben darf. Mein Verstand sagt: es ist ein Irrweg. Nur: so viele Menschen können doch gar nicht irren. Oder doch?

Ich blättere in Gedanken in der ICD-27. Für alle, die nicht so ganz in der Terminologie drin sind. Das ICD ist das medizinische Fachbuch für alle Krankheiten. Es heißt International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems und wird von der WHO herausgegeben. Im Moment sind wir bei der ICD-10, die ICD-11 ist in Vorbereitung und alle paar Jahre kommt eine neue ICD raus. Es dauert immer so etwa acht Jahre, bis ein neues ICD erscheint, denn die Prozesse, die zu der neuen Gliederung und zu neuen Inhalten führen sind wirklich komplex. Nur mal so am Rande: in der ICD-9 war Homosexualität noch als Störung aufgeführt. Also bis zur ICD-27 sind es noch ein paar Jahre. In der ICD-11 wird die Computersucht enthalten sein mit ihren Vieflältigen Ausprägungen. Und Binge-Eating wird dort behandelt, was in der ICD-10 noch nicht erwähnt wird.

Wenn die ICD-27 konsequent wäre, so gäbe es darin eine Störung, die hieße „wohnt im 1-Personen-Haushalt“ oder „wohnt alleine“. Hä? Wieso jetzt das? Das ist doch bekloppt! Stopp! Beruhigt euch. Lehnt euch zurück. Es gibt im ICD-10 den Bereich der nicht stoffgebundenen Süchte. Das ist beispielsweise die Kaufsucht, die Kleptomanie, die Pyromanie usw. Und es gibt die stoffgebundenen Süchte. Alkohol, Drogen usw. Nun müsst ihr wissen, dass das alles nur Störungen sind, weil sie im gesellschaftlichen Kontext als solche definiert werden. Wenn es normal ist, dass alle besoffen unterm Baum liegen, dann ist Alkoholmissbrauch natürlich keine Störung. Aber es ist doch nicht schädlich in einem 1-Personen-Haushalt zu leben! Höre ich nun meine Kritiker rufen. Doch! Ist es eben doch. Siehe Hamburg, die glücklichste Stadt der Welt … Gesellschaftlich ist es auch schädlich, siehe CO2 Verbrauch. Es gibt gute Gründe, für diese Annahme. Für eine kurzfristige Befriedigung „ich habe meine eigene Wohnung und kann da machen was ich will“ werden sowohl gesellschaftliche als auch persönliche Nachteile und Schädigungen in Kauf genommen. Ob das nicht alle Kriterien einer Sucht erfüllt? Zum Beispiel der Ich-Sucht? Es wird eine Menge Geld dafür verpulvert. Genau wie bei einer stoffgebundenen Sucht Geld, was gar nicht vorhanden ist. Die Leute verschulden sich über alle Ohren, nur um ihre „eigene Wohnung“ zu haben. Die Vernunft wird kurz und schnell mal ausgeknippst. Ich bitte euch, meine Ausführungen nicht persönlich zu nehmen. Ich bin ein Fan einer freiheitlichen Gesellschaft. Es ist erlaubt sich mit Alkohol kaputt zu machen, mit Drogen sich das Hirn aus der Birne zu kiffen, sich mit Glückspiel in den Ruin zu bringen. Insofern muss auch die Ich-Sucht erlaubt bleiben. Aber mal einen Blick in die ICD-27 zu werfen, das wäre schon interessant. Ich werde mal bei meinen Fachleuten nachfragen was die so zu meiner Idee sagen.

Männo Marina … auf was für Ideen du mich bringst.

https://bsky.app/profile/did:plc:fsxitbdpkpwcxz6alz2lp5dc/post/3leh6ivjjwk2v

Der Rückblick

Nochmal ein Rückblick? Ja, irgendwie schon. Eigentlich ist das ja so eine willkürliche Zählerei mit den Jahren und auch etwas dekadent. Im Raum-Zeit-Kontinuum gibt es nämlich gar keine Jahre. Aber gut … irgendwie hat sich das ja doch eingebürgert.

Meine Vorsätze habe ich nicht erreicht. Ok. Da waren die Vorsätze offenbar nicht gut. Aber nun … so ist das mal. Dafür ist vieles andere erreicht, was vor einem Jahr noch quasi undenkbar war. Vor wenigen Tagen wurden von meinem Konto 750 Euro abgebucht. Kosten für die Spezialoperation. Schuldübernahme nennt sich der Fachbegriff – dürft gerne mal googeln. Wie dankbar kann man einfach 750 Euro los werden … und scheinbar nichts dafür zu bekommen. Doch. Distanz zum alten Leben. Damit der Beitrag nicht auch noch hinter einem Passwort verschwinden muss, soll es damit genug sein.

Es ist so schön so viel Dankbarkeit zu bekommen. Gerade riefen Feriengäste an. Die haben die Neujahrssendung bekommen. Ich gehe zu Nachbarn, klingle, bringe ihnen einen Kalender. Heute hat ein Nachbar sich sehr positiv zu meinem Neujahrskartentext geäußert. Ja und dann fragen mich die Nachbarn „willst du rein kommen?“ Und es ist einfach sehr sehr schön zusammen zu sitzen, zu sprechen, zu lachen, sich auszutauschen. So dass ich mir überlege, wie man das hinkriegen könnte, dass man sich doch irgendwie öfters trifft. Ich habe nur noch nicht die zündende Idee. Auch wenn die Menschen komplett andere Lebensinhalte, andere Wertevorstellungen, andere Träume haben – dieser Austausch ist so wichtig. Und auch am Ende nicht wirklich aufwändig. Nur … ich kann ja nicht jeden Monat einen Kalender machen. Also dies Rätsel, das wird vielleicht noch gelöst. Und ihr werdet’s kaum glauben, wie viel Energie ich aus solchen Gesprächen mitnehme.

Die Ferienwohnung ist fast wieder hergerichtet. Ich muss gleich nochmal rüber und die Stühle richtig hinstellen. Und ja, die Tage werden jetzt wieder länger. Die Feriengäste freuen sich schon auf ihre Ferien im nächsten Herbst.

Ich habe einige interessante Begegnungen gehabt. Wie flüchtig sie sein werden? Ich weiß es noch nicht. Und das ist auch das schöne: die Ungewissheit anzunehmen. Wenn das Leben aus den Fugen gerät, dann gibt es erst einmal Ungewissheit, die man aushalten muss.

Der Ofen wärmt die Stube, der Ingwertee steht auf dem Herd. Und bald ist mein Singleleben auch wieder zu Ende, dann kommen meine zwei Mitbewohner wieder. Es ist auch schon sehr schön. Ich kann den Reiz des Alleinlebens verstehen und nachvollziehen.

Ich weiß nicht, ob ich morgen nochmal schreiben werde. Ich sage daher jetzt schon mal: kommt gut ins neue Jahr!

Bauprojekt Nr. 12

Es müsste nach meiner Zählung ungefähr das Bauprojekt Nr. 12 aus der Serie „was man aus einem Eichenstamm alles machen kann“ sein. Eines steht noch unfertig in der Werkstatt. Wer mag, darf sich dafür bewerben. Naja – nein … das lassen wir mal weg.

Jedes dieser Bauprojekte ist irgendwie anders. Dieses hier hätte man sicher anders designen können, zum Beispiel alle Topfdeckel in 3D nachkonstruieren können und dann das Ding ganz exakt für jeden Topfdeckel optimiert seinen Platz konstruieren können. Ist kein Deutsch, ist mir aber egal. Ich habe das nicht gemacht. Ich habe mir das irgendwie ausgedacht, dann in Affinity Designer ungefähr eine Skizze gescribbelt und dann los gebaut und dann wurde es irgendwie. Mit 3D Konstruktion hätte man vermutlich auf den gleichen Platz noch einen Deckel mehr untergebracht. Aber schrieb ich es schon? Es ist mir egal. Also nicht ganz egal. Ich habe mich ja extra genau für diese Vorgehensweise entschieden.

Die Konstruktion ist nicht eisenfrei. Die Haltestöcke sind geschraubt. Das habe ich von meinem Schreinermeister gelernt. Als ich die Wiege gebaut habe, gab es eine ähnliche Situation. Da musste auch ein schräger Klotz irgendwo dran. Herr Spöri hatte echt was drauf und meinte ganz trocken, nachdem er mich kurz angeschaut hat … „ich würd’s schrauben – das machen wir auch so, wenn man es nicht sieht“. Natürlich weiß Herr Spöri wie Holzverbindungen gehen und ich weiß es im Grunde auch. Er weiß es aber noch viel besser als ich und er kann sie sehr viel besser ausführen. Und ja, es gibt die Fanatiker, die sagen: das ist kein Handwerk. Die gibt es und deswegen hat Herr Spöri auch vorher geschaut, ob ich so einer bin. Nein, bin ich nicht und deswegen ist es auch geschraubt. Die Vorteile liegen auf der Hand: es geht einfach viel schneller, hält genau so gut und man kann sofort weiter arbeiten.

Ich habe von Herrn Spöri wirklich viel gelernt. Er war sozusagen mein Meister. Die andere Sache, die ich von ihm gelernt habe war: „Passense auf Ihre Finger auf.“

Es ist gut solche Meister zu haben.

Anmerkung … der vorherige Beitrag musste leider raus. Die Zensurbehörde hat zugeschlagen. Schade eigentlich. Ich hatte mir solche Mühe gegeben.

Tag 224 – 90. Geburtstag

Heute wäre mein Vater 90 geworden. Zur Feier des Tages gehe ich in die Werkstatt und bastel … zunächst ein Rätsel 🙂 – und später wird vielleicht etwas brauchbares daraus. Mein Vater war auch viel in der Werkstatt. Seine Werkstatt war viiiiel größer als meine. Seine Tischkreissäge nutze ich heute noch, allerdings hat sie dieses Jahr ein neues scharfes Sägeblatt bekommen. Damit komme ich mühelos durch das Eichenholz durch. Mein Vater war sehr sparsam. Sehr. Ich kann mich entsinnen, dass bei ihm die Säge auch schon mal im rauchenden Holz stecken geblieben ist … Mit dem neuen scharfen Sägeblatt schneidet die Säge das Eichenholz durch wie Butter. Es sind noch ein paar Sachen anders in meiner Werkstatt. In meiner Werkstatt geht es drunter und drüber. Es gibt keine Elektronikecke. Und es gibt viele alte Werkzeuge nicht – Handhobel, Bohrer im 0,1 mm Abstand, Metallbearbeitung, Drehbank und vieles mehr. Dafür habe ich eine Abricht-Dickenhobelmaschine, eine rudimentäre Absaugung, eine gute Oberfräse, einen elektrischen Handhobel. Ich muss zwar viel mit dem Platz jonglieren und umbauen, aber im Grunde kann ich in der Miniwerkstatt doch einiges machen. Mein Vater … Er hätte sich für mich eine glückliche Familie gewünscht – die er selbst nicht wirklich hatte. Dieses Leid haben wir als Kinder nicht bewusst wahr genommen. Er hat uns später davon erzählt. Hm. Frauen … Vielleicht wäre er gerne nicht so viel in der Werkstatt gewesen? Vielleicht war das einfach sein Rückzugsraum. Er wäre heute 90 geworden und ich bin dankbar, dass er nicht mehr erleben muss, wie ich mich zurück ins Leben kämpfe. Kämpfe.

Ich war heute im Dorf Kalender verteilen. „Willst du rein kommen?“ … habe ich angenommen und war wieder mehr als eine Stunde bei … (wird nicht verraten). Mit keinem Wort wurde ich auf meine ungewöhnliche Familiensituation angesprochen. Das fand ich beeindruckend. Ich habe viel über das Leben von Menschen erfahren, mit denen ich schon mehr als zehn Jahre in einem Dorf wohne. Und war erstaunt, dass meine Ausbildung nicht den Furz einer Überraschung ausgelöst hat. Im Gegenteil. Das Thema hat wieder neue Gespräche ausgelöst. „Ich komm‘ dann zu dir …“ war so ein Satz.

Endlich – wieder einkaufen …

Weihnachten ist vorbei. Wie schön! So können wir uns schon auf Weihnachten 2026 freuen. Und vor allem: ich kann wieder unbeschwert einkaufen.

Erst einmal bringe ich aber die Neujahrspost weg. Ich mache es mir einfach. Ich fahre nach Bobitz in den Dorfladen. Der bekommt auch einen Kalender. Und wenn ich schon in Bobitz bin … die Arztpraxis bekommt auch einen. Auf gute Nachbarschaft! Seit der Entgleisung der Volleyballmannschaft von Dr. Bremer vor eineinhalb Jahren sind wir ja bekannt als „die unfreundliche Familie“. Wir können gut damit leben, denn wir wissen es besser.

Aber zurück zum Einkauf. Zum einen stehen bei mir ein paar „Weihnachtsgeschenke“ auf dem Zettel. Die neue Heckenschere, neue Geschirrtücher … Erst einmal kaufe ich mir aber Bücher. Ich habe keine Ahnung, wann ich die lesen soll. Ich habe hier noch einen Stapel liegen. Ich will mich aber nicht nur über das ICD-10 und die Lehrbücher in das Fach einlesen, sondern möglichst umfassendes Wissen über das Thema Psyche, Seele, Hirn und die Funktionen und Wirkungsweisen erlangen. Es ist einfach so spannend. Es ist sicher hundert mal spannender als jeder Krimi. Das ist ein doofer Vergleich, denn das eine und das andere hat so wenig miteinander zu tun … sagen die einen. Also – sagen wir’s mal so: man darf auch anderer Ansicht sein. Die Verkaufszahlen von Romanen dürften jene von interessanten Büchern doch deutlich übersteigen.

Auf der Einkaufsliste stehen heute Kabat Zinn und Bell Hooks. Bell Hooks ist eine Empfehlung aus Mastodon. Dejan Mihajlović empfiehlt genau dieses Buch. Und ich empfehle Dejan Mihajlović auf Mastodon zu folgen. Dieses feine Gespür für gesellschaftliche Wahrheiten, zusammen mit einer scharfen Logik und Dinge auf den Punkt zu bringen haben nur wenige. Also … Bell Hooks. Und dann Kabat Zinn. Kabat Zinn ist ja mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten auch eine feste Größe in der Seelenforschung. Ich schränke mich aber ein. Es gibt jeweils nur einen Titel von jedem Autor. Wenn ich damit durch bin, kann ich ja weitere Bücher kaufen …

Jetzt genieße ich erst mal weiter meinen Singlehaushalt.

Eine ganze Wohnung für mich

Für fünf Tage lebe ich den Traum vieler Menschen: eine ganze Wohnung nur für mich. Genauer: es ist sogar ein halbes Haus! Ganz für mich! Für mich!

Eine eigene Wohnung – das ist das, wonach viele Menschen streben. Es ist der große Traum und es wird viel dafür getan. Sie soll schließlich groß und hell und modern ausgestattet sein. Und natürlich nach den neuesten Energiestandards. Und dann soll sie fancy eingerichtet sein. So eine Wohnung habe ich gerade. Für mich ganz allein. Mit Klavier. Mit Lehmofen. Mit Heimkino. Mit See vor der Tür. Es fehlt an nichts. Also genieße ich den Traum in vollen Zügen. Ich stehe auf wann ich will und ich mache was ich will. Ich singe laut und falsch und spiele laut Klavier. Es stört niemanden. Ich überlege mir sogar kurz, ob ich in den nahen See zum Baden gehe … entscheide mich dann aber doch dagegen. Ich muss niemandem Guten Morgen sagen. Ich muss zu niemandem nett sein. Ich muss auf niemanden Rücksicht nehmen. Das ist doch das Paradies. Ich kann kommen und gehen wann und wohin ich will. Ich muss niemandem Bescheid sagen. Himmel auf Erden.

Der Traum von der eigenen Wohnung … ihr merkt schon: so ganz überzeugt mich das Konzept nicht. Ich muss zugeben, ich habe das ja auch schon acht Jahre in meinem Leben gelebt. Und tatsächlich zeitweise in vollen Zügen genossen. Ich bin diesem Glauben auch einmal aufgesessen, dass die eigene Wohnung das höchste aller Ziele ist. Um dann doch zu merken: ganz so aufregend ist es dann doch nicht. Immerhin ist in dieser Zeit die Idee einer anderen Wohnform gereift, die dann zu gw21 geführt hat. Und die dann … – ach, darüber möchte ich jetzt doch lieber nicht schreiben. Dieses Hochgefühl der einzige Herr im Haus zu sein ist dann doch zu schön.

Hand aufs Hirn – weshalb ist das dann doch nicht die optimale Wohnform? Wir können nach Hamburg schauen, der nach dem Glücksatlas glücklichsten Stadt der Welt. Der Stadt mit der höchsten Zahl an 1-Personen-Haushalten … und der höchsten Depressionsrate. Wir können in die Gesundheitsstatistik schauen … Singles sterben früher. Wir können aber auch ganz nüchtern bilanzieren: Einzelhaushalte sind das Dümmste und Dekadenteste, was der Kapitalismus hervorgebracht hat. Es ist eine Erscheinung, die erst durch den ungezügelten Verbrauch von CO2 möglich wurde. Wenn wir nicht so viele Sklaven hätten, die für uns arbeiten würden, wir könnten uns diesen Luxus gar nicht leisten. Vor 200 Jahren wäre es vollkommen undenkbar gewesen in einem 1-Personen-Haushalt zu wohnen. Nicht der Konventionen wegen, sondern weil ein 1-Personen-Haushalt schlicht nicht überlebensfähig war. Von ganz seltenen Ausnahmen einmal abgesehen. Heute wird in Deutschland schamlos an einem Tag so viel CO2 verbraucht, wie vor 200 Jahren in einem Jahr (leider habe ich dazu keine Daten gefunden – das ist von mir geschätzt). Ich rate aber mal, dass der Anteil der Grünparteiwähler in den Einpersonenhaushalten überproportional hoch ist.

Aber so, ganz ausnahmsweise, da ist es schon obercool Einpersonenhaushalt zu sein. Mit allen kuriosen Nebeneffekten. Gestern habe ich Obstsalat gemacht. Der reicht mir für eine ganze Woche, obwohl ich von jeder Frucht nur eine genommen habe. Das Rezept verrate ich euch nicht. Es sind etwa zehn Zutaten drin und er ist sehr fein.

Grüße gehen raus. An die reisenden Jungs, die einem Einpersonenhaushalt im Erzgebirge einmal etwas Leben spenden.