Hier ist gerade Dezember in Mecklenburg. Wer ihn noch nicht erlebt hat, dem sei gesagt, dass es die Hochsaison von dubiosen Seelenfängern ist, die sich jeweils zu zweit von Haustür zu Haustür klingeln. Die Tage sind kurz. Der Himmel ist grau. Also mal Hand aufs Hirn: wer kennt sie nicht, die Tage, an denen man sich antriebslos fühlt, an denen sich eine gewisse Hoffnungslosigkeit in unseren grauen Zellen breit macht? Unsere Gesellschaft ist diesbezüglich relativ schlecht aufgestellt. „Ach, Winterdepressionen … das geht schon vorbei“ – oder ähnliche unbrauchbare Sprüche sind verbreitet. „Mach‘ Dir gute Gedanken …“ und ähnliche Tipps werden gerne gegeben. Oder: „Nimm Johanniskraut, das hat mir auch geholfen“.
Trauer, Verlust, Schmerz, Niedergeschlagenheit – das gehört alles zu unserem Leben dazu. Die Idee von ständiger gute Laune, durchgehender Freude sind ein gefährlicher Irrtum.
Ich sage es euch wie es ist: ich habe alle Tipps durchprobiert. Die meisten sind kontraproduktiv. Ich muss nochmal eindringlich vor Alkohol warnen. Was mir am meisten geholfen hat, und das kann ich so weiter geben, ist folgendes Vorgehen. Es ist nicht unbedingt von mir. Anregungen habe ich mir beispielsweise bei Krishnamurti geholt.
Also – nur zur praktischen Ersten Hilfe.
Zunächst: seid dankbar für dieses Gefühl. Empfindet tiefe Dankbarkeit, dass ihr solche Gefühle haben könnt. Diese Gefühle zeugen davon, dass ihr ein empfindsames Wesen seid und keine Maschine.
Zweitens. Spürt, dass diese Niedergeschlagenheit nichts ist was von außen kommt. Es ist eure echte und wahre Persönlichkeit. Es ist keine Krankheit, die man mit einem Messer aus euch herausschneiden kann. Es ist etwas, was ganz und gar zu euch gehört, es ist euer Wesen. Ihr seid die Niedergeschlagenheit selbst.
Randbemerkung … die Übungen dienen dazu, die Niedergeschlagenheit in euch aufzulösen. Also nicht wie einen Fremdkörper, etwas Störendes in euch zu verspüren, sondern euch damit zu identifizieren.
Dann geht ihr einen Schritt weiter. Ihr könnt dann die Schönheit des Schmerzes ergründen. Bleibt dabei ruhig. Wo tut es weh? Wie fühlt es sich an? Fühlt den Schmerz ganz eins zu werden mit euch selbst. Es ist wertvoll dies zu spüren.
Nächste Randbemerkung … auch in der Natur ist nicht immer nur alles eitel Sonnenschein. Die Natur kann nur durch den ständigen Wechsel von Regen und Sonnenschein erblühen. Nur wenn ihr es in euch so richtig regnen lasst, kann lebendiges Seelenleben entstehen.
Es kann in euch stürmen. Wenn ihr den Schmerz in euch auflöst, tut er weniger weh.
Idealerweise schlaft ihr mit dem wohligen Gefühl des Schmerzes ein. Wenn ihr aufwacht, werdet ihr wunderbar erholt aufwachen.
Möglicherweise gelingt das nicht beim ersten Mal ganz und gar. Versucht es. Vielleicht ist es auch nicht euer Weg. Vielleicht habt ihr ein anderes Rezept.
Ich höre manchmal von laut Musik hören, Schokolade essen, Party machen, einen Film anschauen, Alkohol …. Jeder hat so sein eigenes Vorgehen und das ist in Ordnung, ich will niemandem etwas empfehlen oder vorschreiben. Zusätzlich zu den oben beschriebenen Übungen ist es bei mir eher: aufräumen, Klavier spielen, etwas praktisches mit den Händen machen – zum Beispiel Holz spalten.