Seid ihr angekommen? So ähnlich lauten heute die Fragen, wie sie vor einem Jahr lauteten „freut ihr euch?“. Und so ähnlich lauten dann auch die Antworten: ja, so ein bisschen. Der Anfang war zäher und schwieriger als gedacht und auf der anderen Seite haben wir auch viel Unterstützung und Hilfe erfahren. Überraschungen und Abenteuer erlebt. Wir hatten noch einen schönen Herbst, dann kam unser erster richtig grauer Winter. Und die Kinder erzählen immer noch von Lörrach – dort war es so und so – hier ist es anders.
Was ist also anders geworden?
Auf jeden Fall ist das „Miterleben des Jahreskreislaufes“ intensiver geworden. Die Beobachtung von Himmel und Wetter hat an Bedeutung gewonnen. Dabei kann ich noch nicht so genau sagen, ob es nun daran liegt, dass wir nur in einer anderen Umgebung wohnen als früher, ich immer wieder auf der Suche nach interessanten Motiven in der Natur bin oder ob es daran liegt, dass der Unterschied der Tageslängen zwischen Winter und Sommer deutlich größer ist oder ob es daher kommt, dass das Haus einfach nicht so gut isoliert ist und wir deutlich mehr heizen müssen je kälter es wird oder ob es einen anderen Grund dafür gibt. Heute ist mir so eingefallen woher es kommt, dass die schönen Jahreszeiten Frühsommer und Herbst so kurz ausfallen, also die Tage, an denen es zwar angenehm warm, aber nicht kalt oder heiß ist. Das kommt ganz schlicht von der Sinuskurve. Die ist nämlich oben und unten ziemlich platt und in der Mitte ziemlich steil. Ich hoffe ich hab das verständlich geschrieben. Ich versuche es nochmal. Im Winter ist es kalt, im Sommer ist es heiß. Dazwischen gibt es ein paar wenige Tage, an denen die Sonne zwar schön vom Himmel scheint, es aber nicht heiß und nicht kalt ist. Die Tageslängen von 20. Mai bis 20. Juni verlängert sich lediglich um etwa 20 Minuten. Die Tageslängen vom 1. März bis 1. April verlängert sich aber um etwa 1 Stunde und 20 Minuten, also um das Vierfache. Noch deutlicher wird der Unterschied, wenn man den Zeitraum zwischen 1. März und 1. Mai und den Zeitraum zwischen 22. Mai und 22. Juli vergleicht. Von 1. März bis 1. Mai ändert sich die Tageslänge um etwa 2 Stunden 20 Minuten, zwischen 22. Mai und 22. Juli ist die Schwankung lediglich 20 Minuten. Da ist es eigentlich auch kein Wunder, dass die Jahreszeiten des Übergangs gefühlt schneller vergehen, als Sommer und Winter.
Die Vorteile des gw-Hauses vermissen wir auch. Klar, Renate bringt uns Schneeglöckchen und Eier und Gespräch, Gomin bringt Milch und Gespräch und mit Matthias habe ich mich heute übers Segeln auf der Ostsee unterhalten. Aber äthiopisch Weihnachten, ein Gemeinschaftsadventskalender, die Tageszeitung, Gespräche am Essenstisch über Ikea, Physiotherapie und dies und jenes, das hat eben doch eine ganz andere Qualität.
Neu hinzugekommen sind die hunderttausend Baustellen im und ums Haus, die Selbständigkeit und die Pflicht die Zeit selber einzuteilen.
Also das ist doch alles ziemlich komplex und das „Ankommen“ sicher noch nicht abgeschlossen.
Letzte Woche mussten wir einen Baum fällen. Nach Zählung der Jahresringe hat er hier ungefähr 100 Jahre gestanden. Wir haben das nicht gern gemacht, es war schlichtweg eine Notwendigkeit. Beim Sturm sind immer wieder spröde Äste heruntergefallen, die auch jemanden hätten verletzen können. Der Baum war hier gut verwurzelt – wir werden wohl noch ein paar Tage brauchen, insgesamt machen wir aber wohl schon Fortschritte. Bleibt dran – ich werde weiter berichten.
So einen Trecker hätten Samson und Jonathan auch gerne.