Woche 17

Sonntag

Die Jungs chillen in verschiedenen Gruppen. Die einen arbeiten etwas am Computer, die anderen arbeiten an ihren Händis im Massenlager. Wie wertvoll ist diese Zeit für diese jungen Menschen? Sie haben einen Raum und Zeit, den sie miteinander zwanglos füllen können. Und das machen sie. Versteht ihr was ich meine? Es braucht so wenig. Es braucht keine riesen Unternehmungen oder ein volles Konsumprogramm. Später geht eine Gruppe noch zum See. Dann muss ich leider schon zum Frühstück mahnen, denn die gemeinsame Zeit ist dann schon wieder vorbei. Um 14.30 Uhr werden sie zum Omageburtstag abgeholt. Sie freuen sich schon auf die Geschenke.

Für mich heißt es, noch etwas aufräumen, eine Waschmaschine Wäsche starten und anschließend aufhängen und mit K. telefonieren.

Der eine Streifen am Himmel ist übrigens eindeutig ein Chemtrail. Passt gut auf euch auf!

Montag

In der Nacht von Sonntag auf Montag fallen die Temperaturen deutlich. Um 1 Uhr gibt es ein heftiges Gewitter, welches allerdings an uns vorüber zieht. Es folgt Blitz auf Blitz. Der Donner bleibt aber fern. Beeindruckend war es dennoch.

Zum Thema „Zeitenwahn“ lese ich in der Ostseezeitung diesen Artikel. Ich schrieb neulich ein paar Zeilen über die Thüringen- und Sachsenwahl. Dieser Artikel ist eine gute Ergänzung dazu. Es ist ja eigentlich schon vollkommen verrückt, wie viele eigentlich gebildete Menschen so einer Nofretete heute auf den Leim gehen, ihr Millionen spenden, sie unterstützen und bejubeln. Was ich auch nicht verstehen kann ist, dass sie als gute Rednerin benannt wird. Ich jedenfalls habe jedesmal so den Reiz eines sich umstülpenden Magens, wenn ich die Frau irgendwo auftreten sehe. Ein guter Redner ist für mich ein Mensch, der glaubhaft wirkt und nicht wie eine aus der Zeit gefallene Sprechbarbiepuppe.

Ich bekomme eine sehr schöne Guten-Morgen-Mail, die mich sehr freut. Die Sparkasse Lörrach hat sich ziemlich ins Zeug gelegt, um uns noch rechtzeitig zum Geburtstag die Kontodaten zu schicken. Dafür habe ich mich bei der Mitarbeiterin bedankt. Sie schreibt:

Guten Morgen lieber Herr Bund,

vielen lieben Dank für Ihre schöne Nachricht ! Ich freue mich jetzt gerade am Montagmorgen riesig, dass Sie Ihre Freude mit mir teilen!

Ich wünsche Ihnen auch einen guten Start in eine neue Woche .

Herzliche Grüße

Lisa Mona
Firmenkundenberatung

Warum schreibe ich euch das jetzt wieder? Ich schreibe das, um zu zeigen, dass Geschäftskorrespondenz nicht nur nach einer bestimmten Manier „Sehr geehrte Damen und Herren … mit freundlichem Gruß“ sein muss, sondern dass es durchaus möglich und sinnvoll ist, auch einmal einen Dank auszusprechen und Freude zu teilen.

Gestern mit K. telefoniert. Und habe ihr erzählt, dass ich mich keiner Gruppierung und keiner Strömung zugehörig fühle, was ein wenig einsam macht. Ich bin weder esoterisch noch spirituell, fühle mich keiner Religion, keinem Glauben und keiner Kirche nahe oder zugehörig. Auch die Trendströmungen Ökologismus und Smartphoneifizierung sind mir fremd. Und ja, dann wirken Menschen, die einfach nur verbalen Dünnschiss aus ihrem Mund heraus lassen auch nicht so besonders anziehend.

Dann noch gute drei Stunden Videomeetings. Einmal für die Ausbildung. Es geht immer noch um Begrüßung und allgemeine Anamnese. Und dann noch Transaktionsanalyse. Ich rücke mich mit meinem Erlebnis vom Wochenende absichtlich nicht ins Zentrum, erzähle aber meine Begegnung mit dem Professor und seiner Frau. Dafür bekomme ich mehrfache Anerkennung, was mir wirklich gut tut. Ich habe ja in den letzten Jahren viel Resilienz aufbauen müssen, um ohne Anerkennung zu leben und mir die Anerkennung nur durch Selbstbestätigung zu geben. Das ist dann schon so, wie wenn die vertrocknete Blume einen gehörigen Schwall Wasser abbekommt. Ich muss dann noch anerkennen, dass die Anerkennung fachlich qualifiziert war. Da alles, was in der Transaktionsanalyse besprochen wird einer strengen Vertraulichkeit unterliegt, darf ich euch jetzt nicht mehr erzählen.

Dienstag

Ich wache mit zwei Träumen auf. Die waren nacheinander. Nicht gleichzeitig. An beide kann ich mich erinnern. Einmal saß ich in einem Zug. Der fuhr in einen Tunnel und hupte. Jemand im Zug sagte „Zusammenstoß“. Der Zug bremste heftig. Es gab keinen Zusammenstoß. Der andere Traum war viel schöner. Ich kam in einen Raum, vielleicht war es ein Café. Darin saßen vielleicht so zwanzig Menschen. Darunter eine besondere Frau. Ich fragte laut, ob ich ihr ein Stück Sahnetorte bringen solle, sie verneinte – lächelnd. Ich ging zu ihr. Wir küssten uns. Sie lächelte. Die anderen Menschen waren erfreut und erstaunt.

Traumdeutung dürft ihr selber machen. Seit ich mich mit Träumen und Hirnfunktionen beschäftige, halte ich Traumdeutung für Kaffeesatzleserei. Nach meiner Kenntnis entstehen Träume aus dem Hintergrundrauschen des erwachenden Hirns, also wenn das Hirn übergeht vom durch das im Schlaf nicht kontrollierte Bewusstsein in den Zustand, wo das Bewusstsein einsetzt. Die zwei Träume könnten unterschiedlicher nicht sein. Gut, beim ersten Traum hätte es auch Rumms machen können. Ich schreibe mir die Träume aber dennoch auf. Es kommt selten vor, dass ich mich an einen Traum erinnern kann.

Manchmal liege ich nachts wach. Dann überlege ich beispielsweise, was es zu Essen geben soll. Es ist schön, für solche Überlegungen Zeit zu haben. Wir haben noch Kartoffeln aus regionalem Anbau. Da könnte ich doch mal wieder Rösti machen. Ich entscheide mich dann aber für ein Kartoffelgratin besonderer Art. Ich nenne es mal Tressower Art. Die Basis ist irgendein Internetrezept und daraus mache ich dann Freestyle „irgendwas“. Die Kartoffeln werden nicht geschält. Wir sind ein Jungshaushalt. Das halten wir aus. Die Kartoffeln werden auch nicht roh in den Ofen gepackt sondern vorgekocht. Und auch die Gratinsauce wird abgewandelt. Ihr müsst dazu wissen, dass die Jungs im Kindergarten eine Abneigung gegen Kartoffeln entwickelt haben. Es gab sie oft. Es gab sie zerkocht und warmgehalten und es war auch sicher irgendeine Billigkartoffel. Dazu gab es Tütensauce aus Senfeiern. Uuuuh – schon beim Gedanken schüttelt es mich. Schon als die Jugendlichen kommen meinen sie: ooh, das riecht aber fein! Da muss ich mir erst einmal den Duft in die Nase ziehen. Und dann werden Kartoffeln gegessen und als „Schmackofatz“ klassifiziert. Es ist ganz einfach.

Abends läuft im Kino die Arte Doku White Power: Europas Rechtsextreme. Ich bin Kinobesitzer und mein einziger Besucher gleichzeitig. Der Film läuft heute aus verschiedenen Gründen. Zum einen will ich einfach mal wieder ins Kino. Zum anderen meint der Kinobesitzer, dass die Besucher ja auch zu zeitgenössischen Themen gebildet werden müssen. Na gut … wenn es denn sein soll. Eine Programmauswahl gibt es für den Besucher nicht. Also zieht er sich diese Doku rein. Zwischenzeitlich sage ich Jonathan: schau! Da sind wir im Fernsehen! Ein bekannter Aussteiger aus der Szene kommt hier aus einem Nachbardorf.

Nach jedem Film gibt es auch eine Diskussion unter den Besuchern. Da ich der einzige Besucher bin, diskutiere ich mit dem Kinobesitzer. Der Kinobesitzer fragt mich, ob die Erwartungen, die ich in den Film gesetzt habe erfüllt wurden. Ich habe ein paar sehr gute Stellen im Film gefunden. So haben sich in den 1990er Jahre alle Medien in Wallonien (Südbelgien) zusammengetan. Den Extremisten wird kein Platz in Talkshows angeboten und so wenig wie möglich Sendezeit in den Nachrichten gewährt, was sich unmittelbar in zusammenbrechenden Wahlergebnissen der radikalen Parteien niederschlägt. Ist das nicht einfach? Leider geht der Film viel zu wenig auf die Ursachen und die Bekämpfungsmöglichkeiten ein. Eigentlich überhaupt nicht. Beispielsweise, dass Menschen mit einem besseren Selbstbewusstsein und weniger Angst weniger zu extremen Ansichten tendieren. Es ist belegt, also kein Geheimnis. Da könnten wir einfach fragen: wie können wir Menschen ein besseres Selbstbewusstsein ermöglichen? Also wirklich einfache Fragen stellen. Antworten täte es ja schon geben.

Also: weiterhin ein spannendes Thema. Gesellschaftlich halte ich das Thema für alarmierend und die Tendenz unumkehrbar. Ich gehöre nicht zu den Apokalyptikern. Angst ist immer ein schlechter Berater. Immer! Ich bin der Überzeugung, dass wenn wir ganz nüchtern und sachlich auf das Thema schauen, dann würden sich schon Lösungen anbieten. Nur: das wird nicht gemacht und das ist auch die Aussage des Filmes. Wenn in manchen Landesteilen tatsächlich 70% der Menschen den extremen Thesen zustimmen, wie dies im Film erwähnt wird, dann müssten wir schon recht konsequent sein, um da noch eine Trendwende hin zu bekommen. Im Moment bedienen alle relevanten politischen Parteien nationalistische Narrative. Die Vokabel der „illegalen Migration“ ist perfekt in allen Köpfen implementiert. Auch „Remigration“ wird mehr und mehr zum Alltagswort. Schreibt gerne in die Kommentare, was ihr dazu denkt.

Die Kinder machen Fahrradwerkstatt und richten ihre Fahrräder für den Wandertag. Es ist nicht so sehr viel zu machen. Spinnweben abputzen, Luft kontrollieren, ein bisschen ölen. Bei Jonathan ist noch eine Schaltung einzustellen. Also alles kein Problem. Aber uppps, was ist das? Die Fahrräder werden schon wieder zu klein. Ich staune selbst. Die haben wir doch gerade erst neu gekauft und da konnten sie so gerade eben drauf fahren …

Ich muss mir selbst immer Mühe geben mit der Entwicklung mit zu halten. Das war eigentlich vom ersten Tag so und ist bis heute so geblieben. Einer der Jungs erprobt morgens seine tiefer werdende Stimme und „übt“ tiefe Töne. Es ist absolut einmalig so etwas zu erleben. Die Jungs brauchen in diesem Moment die Sicherheit, dass sie nicht bewertet werden, dass sie genau so sein dürfen wie sie sind. Das heißt, dass für mich ein absolutes Verbot zu irgendwelchen Bemerkungen besteht. Auch innerlich wird nichts bewertet oder geurteilt. Obwohl ich weiß, dass wir Erwachsenen dazu tendieren Kinder und Jugendliche zu kommentieren, zu belehren und zu bevormunden, auch an Stellen, wo es unnötig und kontraproduktiv ist, so beobachte ich mich doch manchmal selber dabei. Es ist wirklich manchmal sehr subtil. Adultismus ist überall, auch in mir. Adultismus ist eine Sau. Wirklich. Adultismus ist nicht einmal hier in meiner Rechtschreibkontrolle enthalten. Es wird mit roten Wellenlinien unterlegt.

Schulbrot – immer mal wieder anders. Auch eine Frage der Kreativität? Ich weiß nicht. Vielleicht. Im Moment ist Toastbrot mit Roggenbrot oder Pumpernickel eine gerne gegessene Variante.

Mittwoch

Der Mittwoch ist recht unspektakulär. Morgens kreative Brotdosen machen, dann arbeiten, dann die Kinder in Barnekow abholen. Heute fahren sie den Rückweg erstmals per Bus. Es sind dann drei Kinder. Das Gastkind ist dann noch eine Stunde bei uns. Es kommen noch Nachbarn kurz vorbei und fragen, ob wir den Ofen an haben. Nein, den haben wir nicht an. Wir haben die Wärme einfach eingesperrt. Es gibt Resteessen. Heute immer noch schmacko.

In Kino läuft heute eine Stasi Doku. Es könnte gut sein, dass uns sowas dann im Laufe der Zeit mit den nationalistischen Parteien erwartet. Frau Faeser dreht auch schon ganz ordentlich an der Schraube. Ein Ausblick in die Zukunft, nur dann eben mit moderneren Methoden à la China. Immerhin mit der Datensammelwut ist Fakebook & Co. den Stasimethoden bereits weit überlegen.

Donnerstag

Ich schau um 6.30 Uhr zum Fenster raus. Die Kinder haben heute Wandertag und müssen erst um 10 Uhr in der Schule sein. Wie praktisch. Der See dampft. Ich gehe zum Frühschwimmen und mache ein paar Bilder mit dem Händi. Danach schaue ich, ob unser Fotograf mit seinem neuen ND Filter schon wach ist.

Der Wandertag entpuppt sich dann auch für mich zum Eventtag. Ich bringe die Jungs mit ihren Rädern zur Schule. Als ich zurück fahre, klingelt mein Händi. Das eine Fahrrad hat Plattluft. Ich fahre also wieder in die Schule. Wir entscheiden, dass wir halt mit dem Auto zum Ausflugsziel fahren. Den Rest organisieren sie dann voll eigenständig. Unterwegs wird das Fahrrad noch zum Velomechaniker gebracht. Der repariert leider nicht sofort. Ich kann das Fahrrad aber abends wieder abholen. Insgesamt war ich dann zwei Stunden mit dem Auto unterwegs. Nachmittags dann Einkaufsfahrt und Jungs vom Volleyball abholen. Heute also insgesamt vier Stunden und fast 100 km in Mecklenburg spazieren fahren für die gute Sache.

Nur ca. 15 Minuten, nachdem ich das Foto von dem Fahrrad gemacht habe, ist das Hinterrad platt.

Freitag

Ich habe Frisörtermin. Wieder besonders, weil ich seit etwa einem halben Jahr Frisörmodell bin. Das heißt, dass der Azubi oder die Azubiene an meinen Haaren herumschnibbeln darf. Das hilft den Azubis. Ich will jetzt nicht behaupten, dass ich das einzige Frisörmodell in Mecklenburg bin. Aber ich bin dadurch schon ganz schön begehrt und lasse meine Haare jetzt möglichst schnell wachsen. Heute hat B. mir die Haare geschnitten. B. ist erst seit einer Woche Azubi. Er hat aber vom ersten bis zum letzten Schnitt alles komplett selber gemacht. Chapeau! Wirklich. Die andere Azubiene des Salons schneidet mit Mühe vielleicht einen kleinen Teil, obwohl sie sicher schon ein Jahr am Start ist. Ich will kein Framing betreiben, aber es ist schon krass, wie unterschiedlich die zwei Azubis sind. Der eine kommt aus Mecklenburg, der andere aus Syrien. Versteht ihr was ich meine? Vielleicht kann der eine besser gedemütigt und nach Vorgabe dressiert werden. Der andere hat ein gesundes Selbstvertrauen. Was hilft nun besser, ein Handwerk zu lernen? Was sagt ihr dazu? Schreibt es gerne in die Kommentare.

Es wird noch Wäsche in die Waschmaschine gestopft und etwas gearbeitet, dann klingelt auch schon wieder das Telefon und das Kindertaxi setzt sich wieder in Bewegung.

Im Moment bringt die Post immer wieder Päckle. Ich frage mich dann: was hab‘ ich denn da wieder bestellt. Heute war wieder so eins. Es war ziemlich schwer. Aber schon als ich angefangen habe es auszupacken schlug das Herz schneller und ich hab mich wieder erinnert. Es ist ein Kubb Spiel drin. Ouuu Leute … das ist auch wieder so eine Geschichte. Eigentlich wollte ich ja eins selber machen. So richtig. Aus Eichenholz. Ich hab das dann aber doch wieder verworfen. Es wäre sicher zwei Tage Arbeit gewesen. Ich hab dann statt dessen recherchiert. Es ist sowas von verrückt, was man alles über Kubb-Spiele lernen kann. Also Spiele aus Eichenholz sind fast nicht zu bekommen. Gummibaum wird noch empfohlen. Nadelhölzer werden nicht empfohlen. Es gibt aber Wettkampf Kubbs, die sind aus Buche. Und da hab ich dann ein super Spiel gefunden. Es kommt vom Caritasverband Freiburg. Kommt euch der Name bekannt vor? Doch, mir schon. Das war mal ein Kunde von mir. Vor etwa dreißig Jahren. Das Spiel ist wirklich top verarbeitet – sehr schön! Es kommt in einer weißen Stofftasche. Auch schön. Jetzt könnte man es nochmal mit 240er Schleifpapier nachschleifen und ölen. Mal schauen, ob das noch jemand hin bekommt. Es gibt so viel zu tun …

Damit ihr wisst, was in den nächsten Päckle so drin ist. Jonathans Drohne ist wieder auf dem Weg zu uns. Und ich hab zwei Heizlüfter bestellt. Was man damit macht, schreibe ich dann gelegentlich – wenn es denn so weit ist.

In unserer Nachbarschaft wird ein Haus frei. Ende des Jahres. Die Familie zieht nach Groß Krankow. Schade eigentlich. Es sind so nette Nachbarn. Am Donnerstag habe ich noch geholfen dem Mädchen das Fahrradfahren beizubringen.

Dann ist schon wieder Zeit zum Kochen. Es gibt Brokkoli mit Putengeschnetzeltem und Reis und Tomatensalat. Es ist Tomatenzeit. Tomatensalat kommt bei uns gut an. So werde ich noch ein paar Variationen ausprobieren. Es muss ja nicht gleich langweilig werden. Ich könnte einen Rezepteblog aufmachen. Den Jungs schmeckt es bislang immer sehr gut. Und mir auch.

Ich höre das in letzter Zeit immer wieder: „Kinder müssen doch …“ Heute ist mir endlich eingefallen, warum das Quatsch ist. Wenn Kinder „müssen“, dann muss es ja auch ein Mittel geben, um das „müssen“ durchzusetzen. Laut UN Kinderrechtskonventionen ist aber sowohl körperliche als auch psychische Gewalt gegen Kinder unzulässig. Damit hat sich das „müssen“-Thema eigentlich schon erledigt. Nicht so für die meisten Erwachsenen. „Man kann ihnen auch einfach das Taschengeld streichen“ – oder irgend so ein banaler Unfug kommt den Adultisten dann gerne ins Hirn. Ich sage dann gerne „Stopp, stehengeblieben. …“ und versuche eine alternative Sichtweise ins Spiel zu bringen. Die meisten Adultisten lassen mich dann nicht einmal ausreden, sondern fallen mir schon bei der Einleitung ins Wort. Schade eigentlich, sie könnten so viel lernen.

Samstag

Endlich Samstag! Es wird erst mal ausgeschlafen. Dann wird gemütlich gefrühstückt und die Wäsche für die Ferienwohnung hergerichtet. Draußen ist windig und etwas ungemütlich. Gestern hat es nochmal ordentlich gegossen. Also bleibt das Brennholz einmal mehr liegen. Die Ferienwohnungshelfer kommen. Als sie fertig sind, schauen wir auf den Kalender. Und wieder durchzuckt es mich, wie von einem Blitz getroffen. Das erzähle ich euch dann im Oktober.

Es wird Werkstatttag. Werkstatt aufräumen. Eine neue Fräsvorrichtung bauen. Ooooooh. Und dann … da war doch noch was … Es war ein Geschenk. Ein wirklich kreatives Geschenk. Für mich. Ich glaube ich hab noch nie so ein schönes, kreatives, selbst gebasteltes Geschenk bekommen. Am 19. Mai wurde es dann zerstört. Sie hat wirklich ein Geschenk, was sie für mich gemacht hat mutwillig zerstört. Ich fand dann Reste davon in der Brennholzkiste. Das nenne ich eine gründliche Arbeit. Wenn schon zerstört wird, dann auch richtig! Ich bin an dieser Stelle durchaus resilient gefühlstaub. Ich habe die Reste dann erst mal gerettet. Heute war der Tag, an dem ich das Geschenk dann restauriert habe. Und ja, ich frage mich tatsächlich in so einem Moment: was geht eigentlich in den Menschen vor? Ich hoffe durch meine Ausbildung etwas mehr zu erfahren. Das Geschenk heißt jetzt Phoenix. Vieles, was sonst noch an diesem und den vorhergehenden Tagen und Wochen und Monaten mutwillig und in vollstem Bewusstsein zerstört wurde ist kaputt. Und ja … habt ihr mal Kriegsbilder angeschaut? Abgesehen vom Siegesjubel gibt es auch viel Schönes im Krieg. Es macht keinen Sinn an der Zerstörung zu verzweifeln. Das Leben ist schön! Das ist das Einzige was zählt. Es muss 1999 gewesen sein. Da war ich in Basel. Im Theater. „Gleichgültigkeit gegenüber dem Krieg“ – Szenische Bilder zu Musik von Heinrich Schütz. Ein Kunde hat mir die Karten geschenkt. Es war wirklich unglaublich. Ich glaube die Aufführung dauerte drei Stunden ohne Pause. Und nicht einen Moment wich die Aufmerksamkeit von der Darbietung. Es gab einen unendlichen Flüchtlingstreck. Ohne Anfang und ohne Ende. Ein Hubschrauber knatterte mit ohrenbetäubendem Lärm über die Bühne. Und natürlich grenzenloses Leid und Zerstörung. Meine Begleitung meinte damals danach: „Ich habe noch nie so etwas Schönes gesehen“ – um dann sofort zu merken, dass diese Aussage auch missverständlich aufgefasst werden kann. Diesen Trost müssen wir in der totalen Zerstörung erkennen und wahrnehmen. Es ist der Anfang für den Neuaufbau. Ich sag euch: der Schock sitzt hier noch so tief, dass darüber nach wie vor nicht gesprochen wird. Von niemandem. Dennoch arbeiten wir jeden Tag am Neuaufbau.

Ich versuche gerade eine Intensivlerngruppe für meine Ausbildung aufzubauen. Es soll auch Raum für philosophische Betrachtungen geben. Und ein bisschen Blick nach rechts und links schweifen lassen, nicht nur stur starr auf das Lehrbuch. Und wie’s der Zufall so will, eine Frau aus Lörrach schreibt mich an. Wie lustig. Diese Ausbildung ist ein Teil des Neuaufbaus.

Das Essen ist von gestern. Allerdings nicht ganz. Ich habe Sorge, dass es nicht reicht. Ich habe immer Sorge, dass es nicht reicht. Wenn dann doch mal ganz überraschend der Papst oder die Päpstin zum Essen kommt und es reicht nicht, dann wird er oder sie noch Jahre später davon erzählen „da war ich dann dort beim Essen … aber es gab nicht genug für mich – das sind schlechte Menschen, die haben Krieg und Zerstörung verdient und sollen in der Hölle braten!“ – Alles schon erlebt. Sowas sitzt tief. Also wird noch eine halbe Stange Lauch in die Sauce geschnitzt. Es kommt noch ein halber Kohlrabi rein. Und Ingwer. Und Knoblauch. Und Chili aus der Mühle. Und dann? Dann isst Jonathan doch erst mal seine Avocado auf. Und es bleibt wieder ein Rest.

Die neue Fräsvorrichtung macht genau das was sie soll. Morgen kann ich weiter am Puppenwagen bauen. Oder doch wieder ein Schmuckkästchen?

Ich mache mir Gedanken über meine Position. Ja, sie ist einsam. Sie ist so einsam, dass ich mich manchmal als ein Verschwörungstheoretiker gegen die ganze Welt fühle. Dabei fühle ich mich wissenschaftlichen Erkenntnissen verbunden. Ich glaube an die Kraft der Liebe. Nicht die Liebe von oder zu Gott, nicht die romantische Liebe und auch nicht die Selbstliebe. Sondern diese ganz reale Kraft, die jeder einzelnen unserer Zellen innewohnt. Denn jede dieser Zellen ist einmalig im ganzen Universum. Also eher so die Liebe, die Erich Fromm und andere beschreiben. Und ich fühle mich einer ganzheitlichen empathischen und liebevollen Welt verbunden, die auch mal einen Diskurs aushält ohne gleich zusammen zu brechen und ins Chaos zu stürzen. Ich könnte gut ein Alles-für-Deutschland Anhänger sein, denn die finden so eine heile Welt ja auch ganz toll. Für mich gilt aber nicht nur das Ergebnis. Genauer gesagt gilt das Ergebnis so gar nicht. Für mich gilt mehr „der Weg ist das Ziel“. Da heißt, wenn der Weg nicht intelligent, klug und ethisch ist, dann kann ja am Schluss auch nichts Gescheites dabei raus kommen. So werde ich wohl weiter von einer Gemeinschaft träumen, die am Ende des Tages auch wirklich zur Erfüllung führt. Es wird schlicht niemand mitgehen, weil alle vor allem mit sich selber, ihrer Selbstverwirklichung und der Pflege ihrer Neurosen und Phobien beschäftigt sind. Die Extremismusanhänger haben es da sehr viel leichter. Sie glauben fest an eine bessere Welt, wenn nur endlich diese neue Regierung an der Macht ist. Die Regierung, die die Welt in Ordnung bringt, alle Ausländer raus wirft und die „alte“ Gesellschaftsordnung wieder herstellt. Oder es gibt die, die damit beschäftigt sind ihre Ängste und Traumata zu pflegen. Die dann vor einer neuen Gesellschaft lieber die Flucht in die Einsamkeit ergreifen und sich dort wohl fühlen oder so tun als ob sie sich wohl fühlen.

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