„Du sollst Deinen nächsten lieben wie dich selbst.“ … ist ein abgeleierter Bibelspruch. Ich habe dazu schon folgendes gehört: „Da steht doch, dass du dich selbst lieben sollst!“. Und damit endet dann die Interpretation. Also: kauf‘ Dir was Schönes. Gönne dir eine Reise auf dem Kreuzfahrtschiff … das steht doch in der Bibel. Freunde – was ich hier versuche ins Lächerliche zu ziehen, ist traurige Wirklichkeit. Kauf‘ Dir ein Cabrio. Und vor allem: sei die Schönste im ganzen Land.
Ich komme langsam den Tricks auf die Schliche. Sie sind so faul, dass alle Welt sich an den fauligen Geruch schon gewöhnt hat. … Puh. Jetzt muss ich aber erst einmal durchatmen …
Also zunächst steht da überhaupt nichts in der Bibel, was nicht ohnehin eine Selbstverständlichkeit ist. Der Mensch kommt auf die Welt und ist unfertig. Er ist das unfertigste Säugetier der Welt. Denn er kann sich nicht einmal fortbewegen. Also ist er auf Zuwendung angewiesen. Das ist so tief in seinen Genen eingraviert, dass nicht einmal die neuesten Einsamkeitsvertreter darüber hinweg kommen. Diese Zuwendung kann nur durch Empathie geleistet werden. Oder durch bezahlte Kräfte. Und ja: mit Geburt ist der Säugling ein Egoist, ein Narzist. Und erfährt dann Zuwendung. Es braucht über zwanzig Jahre, bis der Mensch sich zu einem voll reifen sozialen Wesen entwickelt hat. Derzeit geht die Wissenschaft von etwa 28 Jahren aus. Als Kind imitiert der Mensch die Empathie, die ihm gegeben wird. Ähnlich wie er sprechen lernt durch Imitation, so lernt er auch Empathie durch Imitation. Kaum ein Kind, das nicht irgendwann versucht seine Mutter zu füttern. Und sich dann darüber freut, dass sich die Mutter freut. Also die Mechanismen sind eigentlich ziemlich trivial. Der Mensch kommt auf die Welt und lernt zuerst sich selbst zu lieben. Er lernt Empathie an sich selbst. Denn die Spiegelneuronen sind noch gar nicht ausgeprägt. Wir dürfen davon ausgehen, dass in jedem Menschen diese Anlagen vorhanden sind. Sie können nicht vollkommen zerstört werden. Emotionale Entbehrung gilt als das schwerste Trauma. Durch emotionale Entbehrung kann die Empathie verschüttet werden. Bis zur Unkenntlichkeit. Das machen sich autoritäre Regime zu Nutze, die so willige Gefolgsleute heranzüchten. Oder der Kapitalismus. Der schafft das auch. Wenn Menschen nur noch entweder Wirtschaftsleistung erbringen oder Konsumenten sind. Dann haben wir die ideale empathielose Welt. Wenn Krankenhäuser nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten gestaltet sind, Kindertagesstätten möglichst effizient sein sollen, an Schulen gespart wird … Das ist das, was wir heute haben. Mit all‘ seinen Folgen. Die da sind: massive psychische Störungen, hohen Alkoholkonsum, Temu, Amazon, Depressionen, Co2 Verseuchung usw.
Mein derzeitiges Thema ist MBSR, das ist achtsamkeitsbasierte Stressreduktion, ein ausgetüfteltes Programm, das sich bereits millionenfach bewährt hat. Im Grunde ist es nichts anderes, als die verschütteten Empathiekräfte wieder zum Leben zu erwecken. Es kann zum Beispiel für Menschen nützlich sein, die sich aus irgendeinem Grunde in ihrem Weg vertan haben, aufs falsche Gleis geraten sind und eine Art psychischen Reset brauchen. Und da ist der erste Weg zunächst sich selbst neu zu aktivieren. Das ist ganz schön schlau und funktioniert möglicherweise genau deswegen so gut. Denn so kriegen wir erst einmal den ersten Teil wieder hin: liebe dich selbst. Und zwar ohne Konsum und Ablenkung und Betäubung. Und das ist die Voraussetzung für den nächsten notwendigen Schritt: liebe deinen Nächsten. Denn ohne diesen Trick wird es auch nicht gut gehen. Denn der Mensch ist mit einem Bewusstsein ausgestattet. Und er strebt immer zu Glück und Zufriedenheit. Auch das ist in seinen Genen eingraviert. Zufriedenheit wird er aber nur erlangen, wenn er auch Selbstwirksamkeit verspürt. Und Sinn. Die höchste Zufriedenheit erreicht er, wenn er seine Fähigkeiten, seine Kreativität sinnvoll in einen größeren Zusammenhang einfügen kann.
Also: Schluss mit der Flucht vor sich selbst. Schluss mit Selbsthass auf sich selbst. Egal ob den eigenen Körper, den eigenen Geist, die Seele, seine Fähigkeiten und Unfähigkeiten, seine Stimme – es muss erst einmal alles selbst geliebt werden. Das kann, wenn es nur genügend verschüttet wurde, schon ganz ordentlich Arbeit sein. Es wird sich aber in jedem Falle lohnen.
Die MBSR Freaks berichten von kuriosen Spontanheilungen von schweren chronischen Leiden. Das machen wohl andere Heilsbringer auch. Fragt mal einen Homöopathen. Nur: MBSR ist kein Schabernack. Es fußt knallhart auf wissenschaftlichen Fakten und einer breiten empirischen Erfahrungsbasis.
Ich werde auch diese Technik in mein Programm mit einbeziehen. Das wollte ich mir einfach mal aufschreiben.
Ansonsten wurde heute ein Schachbrett fast fertig gebaut. Wir geben uns wohl Mühe ein makelloses Brett zu bauen. Immer wieder müssen wir aber erkennen: wir sind keine Profis. Wir haben noch nicht hunderte von Schachbrettern gebaut. Sowohl unser Baumaterial als auch unsere Maschinen sind auf Hobbyniveau. Der Frästisch besteht aus einem Regalbrett. Die Hobelmaschine ist so naja und muss auch erst aufgebaut werden. Ich würde aber sagen, dass wir mit dem Ergebnis zufrieden sein können. Gestern morgen, als die Idee aufkam ein Schachbrett zu bauen, dachte ich nicht, dass am folgenden Tag bereits ein spielbares Brett gebaut ist.
Heute habe ich mal wieder frei. Auch das ist schön. Ich habe so viel zu lesen, so viel zu lernen, so viel Klavier zu spielen, so viel Projekte …
Und einen Anruf von einem Tinder Match verpasst. Da war ich auf der Toilette.