Archiv für den Tag: 10. April 2022

Mecklenburg in echt

So vielleicht könnte man es umschreiben. Wir haben also einen Ausflug nach Schwerin gemacht. Das war am Mittwoch. Damit hatten wir einen weiteren schulfreien Tag – und einen Ausflug. Es ging zum Schulamt.

Wann auch immer die Architekten dieses pseudosymetrische Gebilde geplant, wann auch immer die Handwerker die Pläne ausgeführt haben – sie haben es jedenfalls sehr gut gemacht. Es gibt – man sieht das Loch unten in der Mitte des Gebäudes – einen Eingangsbereich. Der besteht aus zwei sich selbst automatisch schließende und öffnende Türen kurz hintereinander. Dazwischen ist rechts eine Glasscheibe, dahinter sitzt ein junger Mann. Es nennt sich Pforte. Da kann man sich anmelden. Es ist so super gemacht, dass die sich selbst öffnenden und schließenden Türen ständig auf und zu gehen. Also: was man hier gleich an der Pforte erkennt: hier herrscht die Intelligenz. Pur sozusagen. Oder die Essenz der mecklenburgischen Intelligenz.

Während das Kind 1,5 Stunden schulpsychologisch untersucht wurde, habe ich einen kleinen Spaziergang unternommen. Danach wurde ich zu dem Ergebnis beglückwünscht, wobei es überhaupt nichts zu beglückwünschen gibt. Es ist Mecklenburg pur. Wer hier mit Behördenmentalität gesegnet ist, lebt sehr gut. Wer diese Gnade nicht besitzt, dem gnade Gott. Man kommt sich vor, als hätte die Idiotie persönlich die Herrschaft übernommen. Es wird sich überall heftig bemüht, gerne ziemlich jenseits der Sache. Für den normalen Geist ist es einfach nur beschämend. Das System sieht vor, dass das Kind separiert werden kann – und am besten auch sollte. Denn es passt ja mit seinen schulpsychologischen Eigenschaften nicht in die Norm. Das wird auch sehr ausführlich anhand der Normverteilungskurve erklärt – was mich allerdings gar nicht interessiert, denn Normverteilungskurven kann ich auch zuhause anschauen. Stundenlang. Was jetzt andere Eltern als die große Kür des Schulsystems ansehen mögen, nämlich die Separation von nicht normgerechten Kindern, ist der größtmögliche Mist und das Armutszeugnis pur. Zum einen schafft es das Mecklenburgische öffentliche Nahverkehrswesen natürlich nicht das Kind überhaupt zur Begabtenschule zu bringen. Das Kind will da auch überhaupt nicht hin. Denn dort droht die nächste Bedrohung: wer der dortigen Norm wiederum nicht entspricht, wird wieder aussortiert. Es will einfach nicht misshandelt werden. Weder durch idiotische Lehrer noch durch sonst jemanden oder sonst irgendwas. Es will, der nicht Behördenmensch kann es ihm nicht verdenken, einfach leben.

Ich recherchiere dann zuhause noch weiter. Ja, es gäbe eine Schule, die würde uns sogar passen. Die würde pro zwei Kinder auch nur so 6.000 Euro pro Jahr kosten. Nur: auch dort kommen die Kinder gar nicht hin. Ich frage extra bei den Verkehrsbetrieben nach. Nein, es gibt keine Verbindung. Und man muss sich ja auch die Frage stellen dürfen, ob eine Reisezeit von zwei Stunden pro Tag noch der Sache dient.

Und man wünschte sich, die Russenrakete, die den Bahnhof in Kramatorsk getroffen hat würde das Schulamt getroffen haben – natürlich wenn niemand drin sitzt. Manchmal wünscht man sich einfach ein anderes Leben zu leben. Nicht im bekloppten Mecklenburg fest zu sitzen an einem Ort, der auch für die Kinder eine Art Gefängnis ist. Einfach in einem sozialen Umfeld, was auch ein bisschen von der allgemeinen Beklopptheit ausgleicht, die sich wohl überall findet.

Nicht umsonst sind in Mecklenburg-Vorpommern die durch Alkoholmissbrauch festgestellten Todesfälle unter Männern dreimal so hoch wie in Baden-Württemberg, bei Frauen sind es immerhin doppelt so viele. Möglicherweise gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Idiotie und Alkoholmissbrauch. Wie ein jeder weiß, trägt Alkoholmissbrauch auch nicht gerade dazu bei, dass die Menschen besser ticken … es ist also ein Teufelskreis. Wenn man jetzt so am Rande dieses Teufelskreises steht, kann einem allein davon schon schwindlig werden.

Am Freitag bringen die Kinder erstmal Notenspiegel mit aus der Schule. Das ist auch eine tolle Lektüre. Wissenschaftler wissen es genauer: man kann einem Kind oder einem Menschen nichts beibringen. Das Kind oder Mensch ist entweder motiviert oder bedroht wenn er lernt. Motiviert lernt das Kind oder der Mensch aus Begeisterung. Der Lerneffekt ist dabei größer als unter Bedrohung. Wenn man nun das Zeugnis eines Normkindes vor sich hätte, könnte man aus dem Zeugnis exakt ablesen, welcher Lehrer eine Pfeife ist und welcher nicht. Was anderes steht in so einem Zeugnis nämlich gar nicht drin.

Jetzt sind erstmal Osterferien. Das Kind isst etwas besser. Der Stresslevel sinkt merklich.