Für fünf Tage lebe ich den Traum vieler Menschen: eine ganze Wohnung nur für mich. Genauer: es ist sogar ein halbes Haus! Ganz für mich! Für mich!
Eine eigene Wohnung – das ist das, wonach viele Menschen streben. Es ist der große Traum und es wird viel dafür getan. Sie soll schließlich groß und hell und modern ausgestattet sein. Und natürlich nach den neuesten Energiestandards. Und dann soll sie fancy eingerichtet sein. So eine Wohnung habe ich gerade. Für mich ganz allein. Mit Klavier. Mit Lehmofen. Mit Heimkino. Mit See vor der Tür. Es fehlt an nichts. Also genieße ich den Traum in vollen Zügen. Ich stehe auf wann ich will und ich mache was ich will. Ich singe laut und falsch und spiele laut Klavier. Es stört niemanden. Ich überlege mir sogar kurz, ob ich in den nahen See zum Baden gehe … entscheide mich dann aber doch dagegen. Ich muss niemandem Guten Morgen sagen. Ich muss zu niemandem nett sein. Ich muss auf niemanden Rücksicht nehmen. Das ist doch das Paradies. Ich kann kommen und gehen wann und wohin ich will. Ich muss niemandem Bescheid sagen. Himmel auf Erden.
Der Traum von der eigenen Wohnung … ihr merkt schon: so ganz überzeugt mich das Konzept nicht. Ich muss zugeben, ich habe das ja auch schon acht Jahre in meinem Leben gelebt. Und tatsächlich zeitweise in vollen Zügen genossen. Ich bin diesem Glauben auch einmal aufgesessen, dass die eigene Wohnung das höchste aller Ziele ist. Um dann doch zu merken: ganz so aufregend ist es dann doch nicht. Immerhin ist in dieser Zeit die Idee einer anderen Wohnform gereift, die dann zu gw21 geführt hat. Und die dann … – ach, darüber möchte ich jetzt doch lieber nicht schreiben. Dieses Hochgefühl der einzige Herr im Haus zu sein ist dann doch zu schön.
Hand aufs Hirn – weshalb ist das dann doch nicht die optimale Wohnform? Wir können nach Hamburg schauen, der nach dem Glücksatlas glücklichsten Stadt der Welt. Der Stadt mit der höchsten Zahl an 1-Personen-Haushalten … und der höchsten Depressionsrate. Wir können in die Gesundheitsstatistik schauen … Singles sterben früher. Wir können aber auch ganz nüchtern bilanzieren: Einzelhaushalte sind das Dümmste und Dekadenteste, was der Kapitalismus hervorgebracht hat. Es ist eine Erscheinung, die erst durch den ungezügelten Verbrauch von CO2 möglich wurde. Wenn wir nicht so viele Sklaven hätten, die für uns arbeiten würden, wir könnten uns diesen Luxus gar nicht leisten. Vor 200 Jahren wäre es vollkommen undenkbar gewesen in einem 1-Personen-Haushalt zu wohnen. Nicht der Konventionen wegen, sondern weil ein 1-Personen-Haushalt schlicht nicht überlebensfähig war. Von ganz seltenen Ausnahmen einmal abgesehen. Heute wird in Deutschland schamlos an einem Tag so viel CO2 verbraucht, wie vor 200 Jahren in einem Jahr (leider habe ich dazu keine Daten gefunden – das ist von mir geschätzt). Ich rate aber mal, dass der Anteil der Grünparteiwähler in den Einpersonenhaushalten überproportional hoch ist.
Aber so, ganz ausnahmsweise, da ist es schon obercool Einpersonenhaushalt zu sein. Mit allen kuriosen Nebeneffekten. Gestern habe ich Obstsalat gemacht. Der reicht mir für eine ganze Woche, obwohl ich von jeder Frucht nur eine genommen habe. Das Rezept verrate ich euch nicht. Es sind etwa zehn Zutaten drin und er ist sehr fein.
Grüße gehen raus. An die reisenden Jungs, die einem Einpersonenhaushalt im Erzgebirge einmal etwas Leben spenden.