Archiv für den Tag: 8. September 2024

Woche 16

Sonntag, 1. September

Ich gebe zu, das mit der Wochenzählung ist nicht ganz korrekt. Aber egal.

Ich gehe spät Frühschwimmen. Das Wasser kühlt langsam ab. Dennoch ist es noch wunderschön. Es ist der letzte Ferientag. Wir lassen’s uns nicht anmerken. Er wird ausgekostet, so gut es geht.

Vor 10 Jahren …

Wir waren im Fieber. Es ging darum, unsere neue Wohnung schön und funktionsfähig zu machen. Dazu kamen neue Feriengäste, die auch noch Betreuung brauchten. Wir waren zwar motiviert, aber schon auch ganz schön kaputt. Rückblickend wäre uns zu wünschen gewesen eine Sekunde inne zu halten. Inne zu halten, um zu reflektieren, was wir da angefangen haben und was die wirklichen Herausforderungen sind. Diese eine Sekunde wäre unsere Chance gewesen. Die Keimbahn, also der Beginn einer Sache ist sowas von ausschlaggebend für den weiteren Verlauf. Die Affenbrotbäume sind noch quasi unsichtbar.

Ich hatte heute heute (also nicht vor 10 Jahren) ein längeres Gespräch mit einer Freundin, die uns nach Tressow begleitet hat. Sie hat immer wieder betont wie entscheidend ein Ortswechsel ist für eine persönliche Weiterentwicklung. Also wenn das auch mal erlaubt sein darf: das wäre die Chance gewesen. Hätte, könnte, wäre ist vorbei. Es ist die Gelegenheit zu sagen: wir müssen auch auf die Affenbrotbäume aufpassen.

Heute: Wahl in Sachsen und Thüringen. Ich muss das kurz hier los werden. Es ist zu 100% schräg. Wirklich. Zwei ganze Bundesländer wählen vollkommen spooky. Vollkommen irrational. Zufällig sind diese Bundesländer in Ostdeutschland. Und kurioserweise wird eine Bekloppte zweistellig gewählt, ohne die keine Regierung möglich ist. Stopp. … Merkt ihr was? Sachsen und Thüringen hat gewählt. Wenn dort nun Regierungen gebildet werden, wird eine Durchgeknallte das Zünglein an der Waage sein. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen. Und: Wahlen sind kein Zufall. Es sind ganz konkrete Menschen die dort ihre Kreuze auf papiernen Stimmzetteln hinterlassen. Wenn ihr weitere Informationen nicht verpassen wollt, bleibt gerne dran.

Montag

Ooohjeeee – 1. Schultag. Kurz gesagt: Schule, so wie sie ist, müsste eigentlich verboten werden. Wegen Gefährdung des Kindeswohls. Und das ist kein Witz. Nur … wie auch in anderen suboptimalen Lebenssituationen, es gibt derzeit nicht wirklich eine Alternative. Deswegen wieder: wir tragen es mit Fassung und machen das Beste draus. Wie viel, so frage ich mich, wäre gewonnen, wenn wir nur die schlimmsten Mankos in der Gesellschaft beseitigen würden. Also nur die Mankos, die existentiell sind, die kein Geld kosten, die nicht weh tun, die niemanden benachteiligen und die schnell umsetzbar wären? 🤔. Wäre das nicht ein sinnvoller Anfang? Ich meine so allgemein … zur Rettung der Welt. Oder so.

Abschied. Die Grenzacher verlassen uns schon wieder. Wehmut. Ich vermisse sie jetzt schon. Aber das geht in Ordnung. Das sind Gefühle, die ihre Berechtigung haben und es ist schön diese Gefühle zu haben. Und dann dreht sich die Welt wieder weiter. Es war so schön, euch in der neuen Lebenssituation ein paar Tage hier zu haben. Das tat gut.

Vor 11 Jahren …

Hätte mir vor 11 Jahren ein Hellseher oder Wahrsager erzählt, dass ich genau in 11 Jahren an diesem Ort als Alleinerziehender zwei Kinder nach den Sommerferien ermuntern werde in eine adultistische Schule zu gehen, so hätte ich ihm vermutlich nicht geglaubt und 11 Jahre mit einem mulmigen Gefühl gelebt … – und es wäre alles genau so gekommen wie es gekommen ist. Ha. Es gibt also doch ein Schicksal. Das wäre damit jetzt bewiesen. Nein! Diese Bilder sollen auch eines zeigen: die Erinnerung trügt. Denn in der Erinnerung hatten wir den ganzen Urlaub schönes Wetter. Wie man hier sieht, ist das nicht der Fall.

Was der Hellseher oder Quacksalber aber nicht wusste ist, dass ich am gleichen Tag mit meiner Ausbildung zum HPP, das steht für Heilpraktiker Psychotherapie, beginnen werde. Das war heute. Auch davon werde ich immer wieder mal berichten. Denn es ist ein interessantes Ausbildungsfeld.

Dienstag

Krank und alleinerziehend? Das ist eine doofe Kombination, zumal wenn keine helfenden Hände wie Omas oder Opas zur Verfügung stehen. Ich fühle mich krank. Erschöpft. Irgendein Sommervirus. Es war alles einfach ein bisschen viel die letzten Tage, Wochen und Monate. Der Körper verlangt nach Pause.

Weil es aber schon fast fertig ist, mache ich das Schmuckkästchen noch ganz fertig. Nett sieht es aus, auch wenn doch ein paar Schnitzer drin sind. Es wird seinen Dienst tun.

Den Rest des Tages mache ich viel Pause. Abends gibt es Milchreis.

Mittwoch

Es geht mir etwas besser. Wir fahren zum Kieferorthopäden. Wir sind dort persönlich bekannt und mit allen per Du. Ich gehe nicht mit zur Behandlung. Das Kind ist jetzt fast 14, da muss kein Wolfgang mehr mit gehen. Dann noch ein paar Sachen einkaufen. Geburtstagsvorbereitungen. Dann nochmal Pause. Es ist heiß.

Vor 10 Jahren waren wir ähnlich kaputt. Es gab einiges, was mir ehrlich Sorgen bereitet hat. Der Marder verursachte schlaflose Nächte – auch bei den Kindern. Dieser Start hat seine Spuren hinterlassen. Ich dachte auch an eine Rückabwicklung. Nur: wo sollten wir hin?

Donnerstag

Belegungswechsel in der Ferienwohnung. Ich habe endlich mal wieder Putzdienst. Ich montiere hier mal den Sonnenschutz. Zusätzlich stürmt es. Ich muss den Sonnenschutz noch sichern. Lustig … früher kamen vor dem Geburtstag der Kinder noch Päckle an. Die Zeiten haben sich geändert. Wir können was draus lernen.

Die Busverbindung klappt nicht. Der 250er ist zu spät, der 12er wartet nicht. Ich schreibe an das Busunternehmen. Das antwortet prompt. Jetzt sind wir mal gespannt, ob die Verbindung in Zukunft klappt.

Gleich mal wieder einkaufen. Auch für den Geburtstag.

Freitag

Gestern war wieder eine Einführungslektion meiner Ausbildung. Es wurden Lerngruppen gebildet. Ich bin natürlich zu spät gekommen. Ich hatte Fahrdienst. So wurde ich von Dirk begrüßt: „Wolfgang … – bist du aus einer Gruppe raus geflogen oder kommst du erst später?“ – Ich „Ich komme zu spät. Ich hatte Kinderfahrdienst.“ – Dirk: „Ich teile dich jetzt einer Gruppe zu und dort sagst du genau das gleiche was du mir gesagt hast“. In der Gruppe sind wir zu viert. Ich hatte dann noch kurz Zeit mich vorzustellen, dann ging es schon wieder im Hauptkanal weiter. Ich merke immer mehr: das war die richtige Entscheidung. Ich bin da auf einem guten Weg. Es gibt viel zu lernen. Auch Kleinigkeiten werden besprochen. Wie werde ich einen Klienten begrüßen? Auf was ist dabei zu achten? Alles wird dann geübt und besprochen. Sehr cool zumindest virtuell unter Menschen zu sein.

Heute stolpere ich über den Spiegel Artikel über die neueste Statistik des Statistischen Bundesamtes Zahl der Kindeswohlgefährdungen erreicht neuen Höchststand. Ich fühle mich einmal mehr bestätigt aktiv dagegen zu arbeiten. Und wieder eine Vision … wenn wir wirklich alles dagegen täten, dass diese Epidemie sich umkehrt bzw. sogar besiegt wird wie die Pocken. Was wäre das? Es käme einer echten Revolution gleich. Meine These ist tatsächlich, dass die nächste wirklich verändernde Entdeckung auf sozialem Felde sein wird. Theoretisch ist das ja ein Klacks. Es müssten nur alle Menschen vernünftig werden. Also weg mit den Knoten und Affenbrotbäumen in den Hirnen. Ein bisschen träumen darf man ja noch. Aber nochmal: es wäre eine Revolution, die im ersten Schritt nur und ausschließlich in den Köpfen stattfinden würde. Wäre das nicht gigantisch?

Morgen ist Kindergeburtstag. Doppelt. Eigentlich für mich vierfach … – aber das ist eine andere Geschichte. Ja, als Alleinerziehender hat man die doppelte Verantwortung. Zum Glück habe ich Helfer. Samson macht die Zitronenrollen, Jonathan macht die Festorganisation. Das ist schon sehr luxuriös. Der Beitrag enthält wieder zu viel Persönliches für die Öffentlichkeit, weshalb ich ihn hinter einem Passwort verstecken muss.

Zu den Bildern: Das Erste ist vom Frühschwimmen am Sonntag. Dann die zwei gedruckten Zitronenpressen, die insbesondere bei der Herstellung der Zitronenrollen gute Dienste leisten. Am Sonntag gibts Crepes. Jonathan macht den perfekten Crepe! Ein Bild vom Wartezimmer beim Kieferorthopäden. Im Moment der Hit: Tomaten mit Basilikum. Dann gibt es Blätterteig mit Putenschnetzel. Leider etwas ausgelaufen, aber ungewöhnlich schmackhaft. Am Freitag spüle ich das ganze Geschirr von Hand. Die Spülmaschine ist leer. Wir brauchen aber am Samstag die Teller. Da ist es Quatsch dafür die Spülmaschine laufen zu lassen. Es gibt Hähnchenbrustgeschnetzteltes mit Paprikasauce und Reis. Samstag wieder Frühschwimmen. Dann der Zwillingskuchen, noch ohne Puderzucker.

Ein Schmuckkästchen aus der Holzwerkstatt

Dies ist ein Sonderbeitrag. Er handelt von einem Schmuckkästchen. Schmuckkästchen sind beliebte Stücke, die Lehrlinge als Gesellenstücke herstellen. Lehrlinge sind in einem Alter, in dem sie vielleicht so ein Schmuckkästchen ganz gut brauchen können, nicht um es selbst zu verwenden, sondern um es zu verschenken und damit jemanden eine Freude machen. Und die Welt ein wenig besser machen.

Mein Schmuckkästchen ist zugegebenermaßen etwas größer. Und noch etwas ist anders. Ich folge dem Trend der Zeit und mache es für mich. Ich mache mir ein Schmuckkästchen und mache mir damit eine Freude. Das Schmuckkästchen ist auch nicht für Gold- und Silberschmuck oder eine Perlenkette. Es ist für einen anderen Zweck. Es ist aber auch ein besonderes Kästchen und ich muss all meine Handwerkskünste zusammen schmeißen, um es halbwegs fertig zu bekommen. Einiges geht nämlich schief. Zuerst war das Brett zu klein und die Hobelmaschine zu schwach. Dann habe ich schief gesägt, habe nicht richtig geleimt und dann habe ich mich auch noch vermessen und verfräst. Am Ende ist es dann doch noch fertig geworden. Es waren meine ersten Zinkenverbindungen. Wirklich Zeit habe ich mir nicht genommen und meine Werkstattausstattung ist zwar nicht schlecht, aber weit von dem entfernt, was einem Geselle zum Ende einer Lehrzeit zur Verfügung steht.

Das Schmuckkästchen ersetzt erstmal zwei Joghurteimerle. Waaas? Schmuck in Joghurteimerle? OK – mal Hand aufs Hirn … warum eigentlich nicht? Bevor der Schmuck in der Gegend herum fliegt, weshalb soll man ihn nicht auch mal in Joghurteimerle versorgen? Joghurteimerle haben ein paar sehr bestechende Eigenschaften. Sie sind 100% ökologisch, weil es sich um Second-Use-Gegenstände handelt. Sie sind preiswert. Sie sind hygienisch und sie sind verschließbar. Zugegeben, wenn ich einen hätte, würde ich meinen Ehering auch eher nicht in einem Joghurteimerle aufberwahren. Wenn es der Ehering der Ex wäre, vielleicht schon eher. Gut, diesen Gewissenskonflikt habe ich glücklicherweise nicht.

Als ich am 20. Mai die Küche inspiziert habe, lagen ein paar Küchenwerkzeuge wild auf der Arbeitsplatte. Die steckten vorher in so Tongefäßen drin. Die Tongefäße hatte Wipke gefertigt. Wipke, die aus ihrem Grab steigen würde und die Welt in Ordnung bringen würde, wenn sie wüsste, was hier am 19. Mai und den Wochen und Monaten und Jahren davor geschehen ist. Wipke hat den Konflikt nicht gescheut. Und Wipke hat auch die Offenheit und das Gespräch nicht gescheut. Und sie hatte ethische Grundsätze. So lange sie gelebt hat, hat sie uns wohlwollend begleitet und sogar besucht. Sie war für die Kinder so etwas wie eine Tante. Vielleicht ist es ja gut, dass sie die Entwicklung nicht miterleben musste. Wir wissen es nicht. Jedenfalls waren die Tongefäße weg und die Küchenwerkzeuge haben sehr kurzfristig eine neue Aufbewahrung benötigt. Hierfür waren Joghurteimerle ideal. Sie waren vorhanden, sie sind hygienisch und sie sind preiswert. In Töpferarbeiten bin ich jetzt nicht so der Held. So habe ich mir einfach eine Holzaufgabe daraus gemacht.

Die ersten Schritte habe ich ja schon beschrieben. Jetzt geht’s weiter.

Hier seht ihr die Verleimung der Zinkenverbindung. Wie gesagt, ich habe keine Ahnung. Der Dunning-Kruger Effekt ist hier auch am Start. Aber es muss ziemlich schnell gehen. Den Boden hatte ich auf Maß eingefräst. Überhaupt leistet die Fräse richtig gute Dienste. Es musste schnell gehen, da Zinkenverbindungen ja passgenau sein. Und wenn die Teile mal passgenau gefügt sind, zieht der Leim auch schnell an. Da lässt sich dann auch nichts mehr verwackeln oder korrigieren.

Hier habe ich die verleimten Seitenteile dann auf den Boden geleimt. Na gut … ganz 100%ig passt es nicht. Da empfehle ich euch dann einfach es so hinzunehmen wie es ist. Auch im wirklichen Leben. Nach Perfektion zu streben ist gut. Aber manchmal ist es einfach so, dass es nicht 100% passt. Daran zu verzweifeln ist nicht der richtige Weg, denn Verzweiflung führt zu nichts, außer in den Tod. Der Gebrauchswert ist zu 0% gemindert, wenn es nicht 100% passt. Und nochmal Hand auf’s Hirn: ein bisschen Individualität gehört auch dazu. Man darf das sehen, dass es kein Profi gemacht hat. Das tut dem Ding überhaupt keinen Abbruch. Wenn ich es perfekt will, dann kann ich es aus China kaufen. Die haben dort Maschinen, die machen so Zeug im Sekundenbruch. Also – weiter im Text.

Jetzt ist es also verleimt. Es ist bombenstabil. Wirklich. Dass mein Fräser etwas zu kurz war, habe ich glaube auch schon geschrieben. Deswegen gehen die Zapfen auch nicht ganz durch. Da nerve ich die Nachbarn noch ein bisschen und hoble einfach alles bündig.

Im Halbschatten des Kirschbaumes ist besonderes Licht. Dann wird geschliffen was das Zeug hält. Ich schleife mal ausnahmsweise bis zum Korn 240. Und die Kanten werden gefast. Wieder leistet die Fräse allerbeste Dienste, denn damit sind die Kanten ruckzuck gemacht.

Dann muss nur noch geölt werden. Frisch geölt sieht natürlich am besten aus. Es sieht dann fast noch besser aus als lackiert – besonders bei dem hübschen Licht.

Das fertige Kästchen. Die Abtrennbretter sind nur eingesteckt und lassen sich gegebenenfalls auch entfernen, falls man das Kästchen mal für größeren Schmuck verwenden will.

Vorher – auch praktisch. Und das ist ja das Verrückte da dran. Man braucht nicht zwangsweise irgendein fancy Zeug aus dem Factuxkatalog oder vom Ökoversand. Joghurteimerle erfüllen den gleichen Zweck wie Zeug, was man für hunderte von Euro kaufen kann. Und ja, ich habe selber gestaunt, dass es funktioniert, weil Joghurteimerle ja nur etwa 15 Gramm pro Stück wiegen. Es funktioniert aber trotzdem, weil der Schmuck, den man da rein stellt, dann das ganze System beschwert und stabilisiert. Es ist nie so ein Eimerle umgefallen. Versteht ihr was ich meine? Manchmal tut es ein ganz schlichtes und schnelles Provisorium.

Nachher. Wipke würde es gefallen.

Leute … es wartet so wahnsinnig viel Arbeit auf mich. Ich mache hier jetzt keine Liste. Nur so viel … für die Firma muss ich wieder mehr arbeiten, ich muss für die Ausbildung lernen, ich muss Klavier spielen – fürs Hirn, ich muss mich um die Ferienwohnungen und die Gäste kümmern, ich muss zum Frühschwimmen und ich muss meine Alltagsarbeit machen. Und auf der Liste stehen noch zwanzig oder dreißig Projekte. Wenn man so viel Arbeit hat, ist es ein Luxus, sich die Zeit für so ein Kästchen zu nehmen.

Noch was … Thema Affenbrotbäume. Warum mir die Werkstattarbeit so wichtig ist. Gestern hatte ich noch andere Menschen eingeladen. Zum Kaffee trinken. Wir kommen super klar. Wir können sogar Diskurse führen, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Sie sind der Ansicht, dass in der Gesellschaft doch so viel schief läuft und dass Kinder einfach mehr Druck bräuchten. So Affenbrotbäume in den Hirnen halt. Sie sind weit verbreitet. Sie sitzen fest. Sehr fest sogar. So fest, dass nicht einmal wissenschaftliche Erkenntnisse akzeptiert werden. Argument: „… da ist ja die Frage, wer solche Studien in Auftrag gibt.“ Andere Argumente dagegen wiegen schwer „… ich habe es ja auch geschafft.“ – Aber was hat das jetzt mit Werkstattarbeit zu tun? In der Werkstatt gibt es keine Beliebigkeit. Zu kurz ist zu kurz. Ohne wenn und aber, ohne Studie, ohne Glaube und ohne Meinung. Es passt. Oder es passt nicht. Man stellt Überlegungen an und kann das dann direkt prüfen, ob die Überlegung und die Ausführung stimmen oder nicht. Verfräst ist verfräst. Punkt. Nur bei grundsätzlichen Fragen in der Welt, da gehen wir anders damit um. Da geht es um Meinungen und um Glauben. Freunde, das ist tragisch. Denn genau dort kann man auch den Dingen auf den Grund gehen und sagen: das ist richtig und das ist falsch. Nach heutigen Erkenntnissen. Nicht nach Erkenntnissen von vor fünfhundert oder mehr Jahren. Es ist doch faszinierend, dass wir unser einmal gelerntes Weltbild ergänzen und verändern können. Dass die Welt eben keine flache Scheibe ist und nicht von einem Gott in sieben Tagen zusammengebraten wurde. Ouuu Mann! Und jetzt lasst ein Like da und haut ein Abo rein!

Nachtrag. Oder Wort zum Sonntag. Just heute traf ich den Nachbarn morgens am See. Er war höchst entrüstet. Denn gestern waren Menschen am See mit deftigem Benehmen und Ausdrucksweise. Psychologen und erfahrene Pädagogen haben nun bereits ein Lächeln im Gesicht. Also der Nachbar, der für „mehr Druck“ auf Schülerinnen plädiert, ist höchst entrüstet, dass jene, die diesen Druck erfahren haben dann später, wenn sie schon etwas größer sind zu primitivem Verhalten neigen. Und ja, es gibt einen direkten Zusammenhang. Der präfrontale Kortex, das ist der Bereich des Hirns, der für das erwachsene Sozialverhalten zuständig ist, der bildet sich erst mit der Pubertät und danach aus. Wenn in diesem Alter keine Vorbilder und kein Lebensraum zum praktischen Ausleben eines kultivierten Sozialverhaltens zur Verfügung steht, dann ist dieses Sozialverhalten unterentwickelt. Es ist etwa so, wie wenn man ein Kind, das laufen lernen will, ans Bett fesselt. Es wird dann nicht richtig laufen lernen. Die kausalen Zusammenhänge sind bitter einfach. Ein Mensch, der kein Sozialverhalten auf Basis von Vorbildern und praktischer Erfahrung im entsprechenden Alter erlernt hat, wird keine gesunden sozialen Verbindungen eingehen können. „Stoooopp!!!“ – ruft hier der angehende Therapeut und Schmuckkästchenbauer. Ja … und wie ist es nun wirklich. Kann er? Kann sie? Kann er nicht? Kann sie nicht? Bleiben wir mal bei dem Kind, das ans Bett gefesselt wird wenn es laufen lernen will. Ja, es wird auch noch laufen lernen. Es wird aber in der einen oder anderen Form immer gehandicapt bleiben. So ist das auch mit dem Sozialverhalten. Wenn der Mensch tatsächlich ein gesundes Sozialverhalten erlernen will, so wird er das auch können. Hierzu stehen ihm auch vielfältige Therapieangebote als Hilfe und Unterstützung zur Verfügung. Er oder sie wird aber etwas dafür tun müssen.

Deswegen nochmal: passt auf die Affenbrotbäume auf. In euren Köpfen. Und in eurem Verhalten. Jeden Tag. Die Arbeit lohnt sich.

Und noch eine Frage: kann dem Nachbarn geholfen werden? Schwierig. Denn er lebt in seiner Glaubens- und Gedankenblase, die sich selbst bestätigt. Denn er glaubt, dass das primitive Verhalten durch mehr Druck doch hätte beseitigt werden müssen. Er glaubt das wirklich. Er kann sagen: „es beeinträchtigt mich zwar, aber mir ist die Entwicklung der Gesellschaft egal.“ Er denkt vielleicht gar nicht daran, dass er eventuell in zehn oder fünfzehn oder mehr Jahren einmal eine Pflege benötigen wird. Mich macht das eher etwas traurig. Weil doch die Lösung wirklich förmlich vor der Nase, genauer gesagt schräg über der Nase liegt.